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Rangun

Rangun

Titel: Rangun
Autoren: Christine Monson
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holen.
    Um die Wahrheit zu sagen: Als Lysistrata gefolgt von Ma Saw die Treppe hochstieg, war sie sich unsicher, wie sie mit Bediensteten umzugehen habe. Sie lehnte Knechtschaft ab, verglich sie mit Sklaverei und hielt sie für völlig unsinnig, wenn man nicht faul war und exzessiv lebte. Jemanden zu beschäftigen, der ihr Haar bürstete und sie ankleidete, schien ihr absurd, aber sie wollte U Phos Familie ungern gleich um ihren gewohnten Lebensunterhalt bringen. Die verwahrlosten Straßen von Bombay und Madras hatten gezeigt, daß es in einem Land des Ostens schlimmer als in Amerika war, arm zu sein. Dennoch wußte sie nicht, wie diese Diener bezahlt werden sollten, da sie und ihr Vater kaum genug Geld hatten, um sich selbst zu ernähren, bis er seinen ersten Lohn erhielt.
    Für den Augenblick hielt sie Entschlossenheit für den richtigen Weg. Die Dockarbeiter in indischen Häfen schienen reizbar zu sein und neigten dazu, über anstehende Aufgaben zuviel zu diskutieren. Die Beobachtung veranlaßte sie zu glauben, daß U Pho so sein könnte, aber Ma Saw wirkte intelligent und besonnen. Zweifellos wußte die Frau und ihre Familie viel besser als sie, was von ihnen erwartet wurde.
    Als sie die erste Etage erreichten, verwarf Lysistrata diesen Gedanken. Wenngleich nicht schmutzig, wirkte der breite, leere Korridor vernachlässigt. Die Wände mußten frisch geweißt werden, und sie hörte zwischen den Balken über sich etwas huschen. Durch ein hohes Bogenfenster im Treppenhaus sah sie hinten einen Hof und einen Garten, der ebenso überwachsen war, wie das Grundstück vorn. Zwei Fensterscheiben waren zerbrochen; nichts deutete daraufhin, daß sie in letzter Zeit geputzt worden waren.
    Ihr Schlafzimmer, riesig verglichen mit ihrem beengten Raum in Boston, war überraschend freundlich. Es nahm die halbe Rückseite des Hauses ein und bot durch Jalousietüren, die sich zur oberen Veranda öffneten, einen Blick auf den Garten. Angrenzende Dächer in Terracotta, rosa und malvenfarbig, zeigten sich hinter dem dichten Laub eines Banjan, der Abgeschiedenheit gewährte. Ein großes Himmelbett, dessen Beine in Wassertöpfen standen, um Ungeziefer abzuhalten, eine schwarz lackierte Wäschekommode und eine vergoldete Empire-Frisierkommode, deren Farbe abblätterte, sowie ein einheimischer Rohrstuhl vervollständigten die Einrichtung. Daß der Spitzenhimmel des Bettes verrottet und schimmelig, das moskitonetzumhängte Bett nicht bezogen und der Spiegel der Frisierkommode stellenweise blind war, störte Lysistrata wenig, da sie erleichtert war, überhaupt Mobiliar zu sehen. Eine Ecke war in einem hübschen blau-gelb-weißen Motiv mit Vögeln und Blumen gekachelt, aber völlig verschmutzt. Auf den Kacheln standen eine Kupferbadewanne, deren Grün verriet, daß sie dringend eine Politur benötigte, und ein blaues Toilettengefäß aus Steingut, das nur staubig war, wie sie zu ihrer Freude sah. Die Wände waren weißgetünchtes Moire und Teak, wie der Rest des Hauses - was wahrscheinlich vorteilhaft war, dachte sie, da das Klima Tapeten rasch zerstören würde. Vorhänge gab es nicht.
    »Ich bringe Bettzeug«, sagte Ma Saw zu ihr, »und auch Wäsche für Bad. Dr. Lighter schickt von Hospital nach Ihnen und Dr. John. Vielleicht Sie wollen schlafen bis Sonnenuntergang? Essen, wenn kühl?«
    Das seltsame Möbelsortiment betrachtend, überlegte Lysistrata plötzlich, wieviele Möbelstücke Dr. Lighter zu liefern verpflichtet war. Wahrscheinlich glaubte er, daß sein neuer Chirurg seinen eigenen Hausrat mitbringen und sich ruhig in einem Quartier bei angesehenen Europäern einrichten sollte.
    Als ob Ma Saw ihre Gedanken läse, sagte sie: »Ich schicken Nachricht Dr. Lighter, sagen, Sie sind hier. Er nicht beschäftigt, vielleicht er kommt sehen.«
    Lysistrata wurde ärgerlich, erkannte dann aber, daß die Frau nicht eine Herablassung seitens Dr. Lighter angedeutet hatte, sondern daß seine Pflichten als Hospitalverwalter ihn stark beanspruchten. Dennoch wollte sie nicht, daß ihr Vater und sie wieder als Wohlfahrtsfälle behandelt wurden, da sie die selbstgefällige Duldung durch ihre Verwandten und Bekannten in Boston aus tiefstem Herzen leid war. Birma bedeutete ein neues Leben, das mit Energie und Intelligenz einigermaßen glücklich gestaltet werden konnte. Sie konnte Bad und Essen kaum erwarten. »Danke, Ma Saw. Ich werde das Bett machen, nachdem ich gebadet habe.« Ma Saws verblüfftes Gesicht ignorierend fuhr sie fort: »Da mein Vater und
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