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Rangun

Rangun

Titel: Rangun
Autoren: Christine Monson
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graugrüne Augen. Kümmere dich um dich selbst, du aufgeblasener Kerl, schienen sie deutlich zu sagen. Sie steckte sehr unweiblich ihre Hände in die Taschen ihres Spenzers, nickte ihm kurz zu, als sie von ihrem Vater vorgestellt wurde, und schritt dann an Bord.
    In den folgenden Tagen fuhr die Robert Sydney, ein Kreuzfahrtschiff, längs der Küste Frankreichs und hatte Aufenthalte in Gibraltar und Marseille, bevor sie das Heilige Land erreichte. Dann fuhr das Schiff nach Alexandria zurück, wo seine fünfundvierzig Passagiere auf die Eisenbahn umstiegen, die sie den Nil hinunter nach Kairo führte und von dort nach Suez, wo sie den Seeweg nach Indien fortsetzten. Während dieser Tage wurde Harry allmählich klar, daß er Miß Herriott sehr richtig, aber auch sehr falsch beurteilt hatte.
    Das einzig fade an ihr war ihre Kleidung. Als sie ihr Hütchen zum ersten Abendessen mit den anderen Passagieren ablegte, erhellte ihr üppiges, glänzendes, goldbronzenes Haar den düsteren Mahagonisalon. Obwohl nicht ebenmäßig genug, um hübsch zu sein, hätte dieses blasse, ovale Gesicht mit seinem Hauch von Unbarmherzigkeit einer Prinzessin gehören können. Das Geplauder der Frauen langweilte sie. Die ärgerten sich umgekehrt über sie, denn Harry hatte sich auch dahingehend geirrt, daß sie ihre Zunge im Zaum hielte. Miß Herriott sagte mit Ausnahme von Freundlichkeiten zu jedem Thema genau das, was sie dachte. Ihre Figur war nicht so übel, wie er angenommen hatte, obwohl er wenig dazu sagen konnte, weil sie unter zwei übergroßen, krähenschwarzen Kleidern versteckt war, die sie mit monotoner Regelmäßigkeit alle drei Tage wechselte. Sollten sie je in Mode gewesen sein, was zweifelhaft war, waren sie nie dazu entworfen, der weiblichen Anatomie zu schmeicheln. Wo eine Turnüre hätte sein sollen, war nur ein schlaffes Stoffpolster -und sie hatte den Saum gekürzt, um den Fall anzupassen. Unter diesen ausgefransten Säumen schritten abgestoßene, rissige Schnürstiefel. Entweder trauerte Miß Herriott schon lange oder sie scherte sich keinen Deut um ihr Äußeres.
    Und doch gab es Augenblicke, nachdem die Robert Sydney die Kälte Frankreichs verlassen hatte und sich der peinigenden Hitze des Heiligen Landes näherte, in denen er sie mit diesem außergewöhnlichen Glanz ihres Haares fast für attraktiv hielt. Die anderen Damen, die auf den Sonnendecks promenierten, klammerten sich an ihre Parasols wie Schildkröten an ihre Panzer. Miß Herriott war wie immer exzentrisch. Nicht nur, daß sie kein Parasol besaß, sie trug eine getönte Brille und warf ihr Hütchen bei Capri über Bord. »Es paßt besser in den Bauch eines Hais als auf den Kopf eines Menschen«, stellte sie auf Harrys verwunderten Blick kühl fest.
    Er griente. »In der Tat, Miß Herriott, ein Hai wird diesen Haufen schwarzer Schmelzperlen sicher als Kaviar genießen.«
    Ein Lächeln verzog ihre Lippen. »Verbrannte gebackene Bohnen aus Boston wäre vielleicht treffender.« Dieser Austausch taute die Kühle zwischen ihnen etwas und als Harry sich zu einer Kegelpartie einludt, machte sie keine Einwände. Danach war er sehr häufig in ihrer und ihres Vaters Gesellschaft und begann sie aufmerksamer anzusehen. Ohne ihr Hütchen bräunte sie schnell und ihr Haar wurde mehr golden denn bronzefarben. Ihr abgespanntes Aussehen, das sie noch unscheinbarer hatte wirken lassen als sie eigentlich war, schwand, ein gewisser Blick ihrer Augen hingegen, ein versteckter, zuweilen bitterer Spott nicht. Dennoch fand er, daß sie dann einen koboldhaften Charme ausstrahlte, vor allem dann, wenn sie vergaß, diesen Ausdruck zu verbergen.
    Eines Tages warf sie dem dösenden Schiffskater spielerisch drei Fische aus einem Salzfaß neben der Kombüse zu. Seine schmuddelige Arroganz verflog, als er mit weit aufgerissenen Augen und gestreckten Krallen erwachte. Gelächter brandete unter Mannschaft und Passagieren auf, als der Kater in verdutzter Gier versuchte, mit seiner ganzen unverhofften Beute in die Kombüse zu gelangen. Während mehrere Damen sich nicht amüsiert zeigten, fand Miß Herriott in dem Kater einen so eifrigen Bewunderer, daß er beim Dinner oft zu ihren Füßen lag. Er beschenkte sie mit einer dicken, lebenden Ratte, als das Schiff in Alexandria einlief.
    Manche Personen an Bord hielten sie tatsächlich für nicht gesellschaftsfähig, aber Miß Herriotts Vater unterstützte ihr ungehöriges Verhalten, indem er sie wie einen Sohn behandelte. Man vermutete, daß ihre
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