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Rangun

Rangun

Titel: Rangun
Autoren: Christine Monson
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empörenden Meinungen die seinen Wiedergaben und sie ihre farbige Sprache von ihm gelernt hatte.
    »Dennoch wage ich zu sagen, daß ihre Konversation recht vernünftig ist«, bemerkte ein Gentleman beim Kegeln auf dem Achterdeck zu seiner Frau.
    »Wenn sie nur nicht von einer Frau käme!« sprudelte die Lady entrüstet.
    Die Krone war, daß der Doktor seiner Tochter den unmöglichen Namen Lysistrata gegeben hatte. »Ich wurde 1852 geboren, zur Zeit der großen Debatte zwischen Daniel Webster und Henry Clay über die Rechte der Staaten«, erzählte sie Harry. »Als Papa mit seinen Freunden auf meine Geburt anstieß, sagte er, daß nur eine Frau wie Aristophanes' Lysistrata verhindern könne, daß in Amerika ein Krieg ausbräche. Unglücklicherweise war ich keine Hilfe.« Abgesehen von dieser Enthüllung verriet sie über ihre Vergangenheit nichts und machte deutlich, daß noch so freundlich gemeinte Nachfragen unerwünscht waren. Harry, der im Lauf der Jahre zahlreiche amerikanische Südstaatler kennengelernt hatte, konnte nur auf Grund ihres leichten Akzents annehmen, daß sie nicht ihr ganzes Leben in Boston verbracht hatte. Ihr kluger, energischer Vater, der die vielleicht zwangloseste Person war, die Harry je kennengelernt hatte, war-was persönliche Dinge betraf - ebenso wortkarg wie seine Tochter. Die meisten Passagiere, die nicht von Seekrankheit geplagt waren, verbrachten ihre Zeit damit, im Salon und auf Deckstühlen Briefe an Verwandte und Freunde zu schreiben. Die Herriotts griffen in der Öffentlichkeit nie zu einem Stift.
    Jeden Morgen standen die Herriotts vor Sonnenaufgang auf. In der erträglichen Kühle der Dämmerung spazierten sie anderthalb Stunden lang im ständigen Kreis mehrere Meilen auf dem Deck. Sie begaben sich dann in den Speisesalon, wo sie ein gewaltiges Frühstück verschlangen und gingen danach zum Kegeln und Skeetschießen aufs Achterdeck. Danach verschwanden sie in ihrer Kabine und wurden erst wieder zur Vertilgung eines gewaltigen Lunches gesehen. Dann spielten sie mehrere Partien Schach im Hecksalon. Das dauerte bis vier Uhr nachmittags. Ein weiterer Spaziergang und ein Deckspiel beschäftigten sie bis zum Abendessen, dem wie den ersten beiden Mahlzeiten eifrige Hinwendung zuteil wurde. Da alle Mahlzeiten im Fahrpreis enthalten waren, schloß Harry, daß die Herriotts das Beste daraus machten.
    Je weiter die Robert Sydney nach Osten kam, desto entspannter wirkte Lysistrata, wenngleich ihre Kleidung noch düsterer wirkte, da die anderen Frauen im Heiligen Land hellbunten Batist und Musselin trugen. In Alexandria, wo alle Passagiere die Robert Sydney verließen und einen vor Hitze kochenden Zug nach Suez bestiegen, packte sie ein kühlendes feuchtes Tuch in einen großen Fez, den sie in Jerusalem gekauft hatte. Der puderzuckerfeine Staub war in den Falten von Lysistratas schwarzen Kleidern noch deutlicher zu sehen. Sie knöpfte die Kleidung an der Kehle weit auf, aber die Hitze in ihrem Serge mußte unerträglich gewesen sein. Doch wenn sie periodisch den Zug verließen, um die monumentalen Reste Ägyptens zu betrachten, ritt sie auf ihrem von Flöhen zerbissenen Esel mit einer wachsenden Hochstimmung durch die alten Trümmer, die nichts mit der Ehrfurcht vor der Vergangenheit zu tun hatte. Vor allem von der Steinmasse Karnaks war sie wenig beeindruckt. »Diese Säulen sind so prahlerisch, daß sie zu platzen drohen. Binden Sie doch mal um eine der Säulen Ihren Kragen, Harry. Mal sehen, ob sie blau anläuft.«
    Als sie in Suez an Bord der HMS Mayfield gingen, war Lysistrata in Hochstimmung. Von Aden bis Bombay und weiter bis Madras lief sie auf den Decks wie eine eingesperrte Löwin umher. Harry hatte den Eindruck, daß Lysistrata Herriott von Birma sehr viel erwartete. Als er schließlich neben ihr an der Bugreling der Mayfield stand, die die düstere Morgendämmerung und den schlammigen Rangun durchschnitten, konnten sie wenig Vielversprechendes entdecken. Der Fluß war so fett und ruhig wie ein schläfriges braunes Krokodil, das sich in den Schlamm gegraben hatte. Er war von Elefantengras und monotonem, verkümmertem Dschungel gesäumt, aus dem sich gelegentlich langsam ein Wasservogel erhob. Das Kreischen von Gabelweihen und Möwen durchbrach ab und zu die feuchte Stille. Dennoch war Lysistrata, die die Reling fest umklammerte, voller Erwartung.
    Nachdem die Mayfield Elephant Point passiert hatte, hoben sich Tamarinden und Palmen aus dem Gestrüpp, die die palmwedelgedeckten
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