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Rangun

Rangun

Titel: Rangun
Autoren: Christine Monson
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Lebensweise gewöhnt haben.« Er winkte einem der Fahrer zu. »He, du! Gharry-wallah! «
    Kurz darauf liefen Lysistrata und Dr. Herriott hinter ihrem mit Gepäck beladenen Tikka Gharry her, die von einem Zwergpony gezogen wurde, dessen Schweif Staub aufwirbelte. Als sie sich durch die engen Hafenstraßen schoben, starrte sie fasziniert auf singhalesische Reisarbeiter, drahtige schittagonische Kulis von der Nordwestgrenze, Gehrock tragende madrassische Schreiber und verschleierte Kaschmini-Frauen, schwarzäugige Bürschchen aus Shanghai, Kanton und Kaulun. Fast nirgendwo sah sie Birmanen, die ihre Stadt den Ausländern überlassen zu haben schienen. Überall gab es Arbeiter aus Ostindien und China und Seefahrer von den fernsten Grenzen des Globus aller Farben und Rassen. Schwankende, ledergesichtige Amerikaner und Europäer musterten sie forsch, als sie sich an ihnen vorbeidrängte - bis ihr durchdringend blickender Vater sie an die Hand nahm und voranging. Den Gharries ausweichend stolperten sie fast gegen einen Ochsen. Unter verblichenen Ladenbaldachinen lagen Bettler an den Wänden, standen Karren mit fremdartigen Produkten und durchhängende Körbe voller Reis - dazu Buden mit importiertem Kitsch. Darunter hüpften Krähen hinter Abfällen her.
    Als ihr Vater an der Ecke der Capricorn Straße nach der Richtung fragte, deutete ein ungeduldiger Sikh-Polizist mit seinem gerollten Bart auf den Verkehrsfluß, der sich auf einen Geschäftsbezirk zubewegte, in dem chinesischen Zeichen flatterten. Während sie sich in den Verkehr einfügten, um durch vom Handel abgeschiedene Straßen zu drängen, reckte Lysistrata unterbreiten Verandadächern den Hals, um dem Blitzen der Webschiffchen und dem Drehen der Töpferscheiben zuzuschauen. Als sie verstaubte europäische Lebensmittel in einem indischen Schaufenster sah, scherzte sie mit ihrem Vater: »Sieh doch, Papa, Bonbons, die nur eine Mutter mögen würde!«
    Je weiter sie sich den großen Boulevards näherten, desto mehr britische Kolonialbauten sahen sie, die zwischen Pagoden, indische und chinesische Tempel gezwängt waren. Kopfschüttelnd musterte Dr. Herriott die sonnenheißen, flachdächrigen Häuser, die zwischen diesem Architekturpotpourri verschachtelt standen. »Diese baufälligen Buden sind wahrscheinlich das ganze Jahr so heiß wie Backöfen.«
    »Jetzt sehen sie schlimm aus, jetzt haben wir ja hier auch gerade Winter, aber glücklicherweise«, Lysistrata schaute zu einem Padouk zwischen den schattigen Bäumen auf, die die Hauptstraßen säumten, »werden wir wahrscheinlich keinen Hitzschlag bekommen.« Mit einem Grienen rückte sie den feuchten Lumpen in ihrem Fez zurecht. »Zumindest in den nächsten zehn Minuten nicht.«
    Schließlich führte sie das Gharry an den Rand eines ruhigen Wohnbezirks, in dem Häuser mit Wänden aus Palmwedelmatten auf Pfählen standen. Leitern führten zu den Wohn-räumen über Viehpferchen, in denen Hühner, Schweine, Rinder und gelegentlich ein nacktes Kind in der Hitze dösten. Da die Sonne hoch stand, waren nur wenige Menschen auf der sandigen, von Gestrüpp gesäumten Straße. Die Herriotts, denen der Schweiß von den Fingerspitzen lief, blickten neidisch auf den Gharry- Fahrer, der im schwankenden Schatten seines Kalikosonnenschirms hockte. Was, wenn ihre Unterkunft einer dieser schmutzigen Käfige wäre, überlegte Lysistrata, und ihre Stimmung sank. Während der letzten Jahre war sie gezwungen gewesen, mit vielen anderen unerfreulichen Situationen fertig zu werden.
    Dann tauchte aus einem der Häuser ein Mann in weißer Jacke und knöchellangem Rock auf, der so leuchtend war, daß nicht einmal ihre getönte Brille sein kräftiges Muster aus Orange und Purpur dämpfen konnte. Sein Haar war zu einem Knoten aufgesteckt, und er trug einen rosafarbenen Flittchenfächer. Dies, so erkannte sie mit gewisser Scheu, mußte ein männlicher Vertreter der selten zu sehenden Birmanen sein. Eigenartigerweise wirkte seine Kleidung - noch weniger sein breitkieferiges mongolisches Gesicht und sein rascher, säbelbeiniger Schritt - nicht weibisch, obwohl sie den verdutzten Blick ihres Vaters bemerkte. Hinter dem Mann trottete eine Frau, die bis auf eine Orchidee, die sie in ihr Haar gesteckt hatte, tatsächlich gekleidet wie sein Zwilling war. Bis auf eine Kleinigkeit wäre sie nach westlichem Geschmack schön gewesen. »Mein Gott«, flüsterte Dr. Herriott, »hat die Frau ihr Gesicht in einen Eimer mit Tünche gesteckt?«
    Die Herriotts sahen
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