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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nicht passiert.«
    »Welche Zeichen?« Als Kriminalbeamter machte mich diese Aussage berufsbedingt neugierig.
    »Ihm ging’s in letzter Zeit immer schlechter, wahrscheinlich hatte er Depressionen. Seit seine Ehe geschieden wurde, lief er neben sich selbst her. Er erzählte ständig, wie seine Ex-Frau ihn finanziell ausblutete. Und dann versuchte sie, das Umgangsrecht mit der gemeinsamen Tochter zu verhindern. Oh mein Gott, das Mädel ist drei Jahre alt und schon Halbwaise!«
    Der Gabelstaplerfahrer führte Panscher zu einem kleinen Haufen Europaletten, auf dem er weinend Platz nahm.
    Im gleichen Moment durchzog ein Höllenlärm das Firmengelände. Der Schall des Sondersignals eines Notarztwagens brach sich an den umliegenden Hallen und echote in mehreren Wellen.
    Ich traute meinen Augen nicht, als der Wagen kurz vor dem Toten hart abbremste und Doktor Metzger fröhlich vor sich hin pfeifend ausstieg. Immerhin schaltete er vorher das mörderische Signal ab.
    Doktor Metzger, bei dem das Wort Notarzt eine ganz andere Bedeutung bekam, war eine der skurrilsten Figuren in der Region. Sein nervös zuckender Mundwinkel, seine langen feuerroten Haare mit dem Mittelscheitel und nicht zuletzt der ehemals weiße Kittel, der eher nach Ölwechsel als nach ärztlicher Hilfe aussah, legten die Vermutung nahe, dass er entweder ein paar Jahrhunderte zu spät lebte oder Freigänger einer geschlossenen Abteilung war. Bereits vor ein paar Jahren hatte er seine Kassenzulassung zurückgegeben. Ich vermutete, zurückgeben müssen. Seitdem fuhr er je nach Lust und Laune Notarzteinsätze. Ich hatte keine Ahnung, wie er dies genehmigt bekam. So genau wollte ich es auch nicht wissen. Seit ich wusste, dass Metzger bisweilen die Straßen unsicher machte, um Unfallopfer angeblich zu retten, fuhr ich im Straßenverkehr weit vorsichtiger als früher.
    Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte sich Metzger vor einer Weile mit einer mobilen Klinik, die sich in einem Reisemobil befand, selbstständig gemacht. Kleinere Operationen wie Gallensteinentfernung, Meniskus oder Blinddarm führte er auf Wunsch der Kunden, wie er seine Patienten nannte, in seinem Reisemobil oder bei den Kunden zuhause aus. Seit der letzten Gesundheitsreform brummte sein Geschäft. Seine Mobilklinik, die gewöhnlich auf einem Campingplatz bei Altrip stand, war für mich ein Kabinett des Grauens. Doch Metzger verstand es immer wieder, die gesetzlichen Vorgaben derart individuell und überkorrekt auszulegen, dass es bisher keiner Behörde gelungen war, sein Vorgehen zu unterbinden. Vielleicht schmierte er sogar die Behörden, indem er den Beamten hohe Rabatte für Altersfleckenentfernungen und Sitzfleischaufpolsterungen versprach.
    »Hallo, das ist ja der Herr Palzki!«, begrüßte er mich überschwänglich, als er mich entdeckte. »Sind Sie ins Brauereigeschäft eingestiegen?«
    Nun ließ Metzger sein unnatürliches, frankensteinähnliches Lachen ertönen, das mir zwar bekannt war, die anderen Anwesenden allerdings zusammenzucken ließ.
    Metzger packte, auch dies war typisch für ihn, eine seit mehreren Wochen überreif aussehende Banane aus seinem Kittel und schälte diese. Schmatzend redete er weiter. »Ich habe über Funk Meldung bekommen, dass bei Ihnen etwas einzusammeln wäre. Ist das der Unglückliche?«
    Er besah sich Fritz Klein oberflächlich und schlussfolgerte: »Der ist hin, oder? Soll ich die Reste gleich mitnehmen?«
    Langsam hatte ich mich wieder in meiner Gewalt. »Herr Doktor Metzger, wieso treiben Sie jetzt auch rechtsrheinisch Ihr Unwesen? Reicht Ihnen die Vorderpfalz nicht mehr?«
    Nachdem er zum zweiten Mal sein schreckliches Lachen vorgeführt hatte, erklärte er mir seine Anwesenheit. »Ich helfe, wo ich gebraucht werde, Herr Palzki. Die Geschäfte in der Pfalz laufen im Moment schlecht. Die Leute bleiben bei dem Sauwetter zuhause und dadurch gibt es weniger Unfälle. Wenn es wenigstens Blitzeis geben würde, dann hätte ich wieder massig zu tun.«
    »Das beantwortet nicht meine Frage. Warum sind Sie in Baden-Württemberg?«
    »Falsche Planung. Es sind zwischen Weihnachten und Neujahr einfach zu viele badische Kollegen in Urlaub. Manche sind auch krank.« Wieder lachte er und sein Mundwinkel zuckte.
    »Mannheim und Umgebung haben im Moment einen ärztlichen Notstand. In manchen Krankenhäusern haben sie begonnen, virtuelle Ärzte einzusetzen.«
    »Was sind virtuelle Ärzte?«
    »Pfleger, die so tun, als wären sie Arzt. Damit wird den Patienten
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