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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer
Autoren: Jacques Berndorf
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ERSTES KAPITEL
    Der Sommer war sehr heiß, die Tage begannen träge, ein wenig wirkte es so, als sei die Sonne frühmorgens schon müde. Besonders an den Steilhängen war das Gras schon verbrannt, und die Eifler beklagten sich, daß in dieser verdammten Welt aber auch gar nichts mehr seine Richtigkeit habe. Wo kommen wir denn hin, wenn die Toskana Erdrutsche und Überschwemmungen meldet, Südspanien von Schlammlawinen heimgesucht wird, im Tessin grober Hagel die kostbaren Autos zerdeppert und die Behörden in der Eifel verbieten müssen, die Gärten zu gießen und Autos zu waschen? Das ist doch nicht normal, ist das, da kriegt man doch seine Zweifel. Gut, daß die Regierung in Bonn meist so wirkt, als gebe es sie gar nicht, daran ist man ja gewöhnt, aber wenn morgen irgendeiner dieser ungeheuer schnell plappernden TV-Journalisten behaupten würde, die Regierung sei auch für das Wetter verantwortlich, würde das keinen Eifler wundern. Seit wann haben denn Regierende bei uns je etwas richtig gemacht?
    Es war frühmorgens kurz nach sechs, als ich im Garten hockte und träge blinzelnd herauszufinden versuchte, welche Form der Teich haben müsse, den ich in diesem Jahr bauen wollte. Da ist viel zu bedenken, vor allem das Spiel von Sonne und Schatten, um tödliche Aufheizungen des Wassers zu vermeiden. Eines war sicher: An die Längsachse müßte ich eine buschige Birke pflanzen, sonst könnte ich meine Frühstückseier im Gartenteich kochen.
    »Ich werde Posthornschnecken in Maria Laach besorgen«, erklärte ich meinem Kater Paul, der seiner Lieblingsbeschäftigung auf eine gelinde ausgedrückt dämliche Weise nachging. Er versuchte Schmetterlinge zu fangen, mochte sich aber nicht sonderlich bewegen, was die Schmetterlinge sicherlich mit tiefer Dankbarkeit erfüllte.
    Paul zwinkerte in den makellos blauen Himmel und hatte nicht einmal einen Blick für mich übrig. Er war sauer auf mich, weil ich seinen Kumpel Momo verjagt hatte, der am Vorabend mit beharrlicher Pfotenarbeit den Eisschrank geöffnet, eine offene Dose Hering in Tomatensoße erbeutet und sie auf dem frisch erstandenen Berber im Arbeitszimmer geleert hatte. Dort hatte er anschließend auch seinen Magen entleert. Ich kann Leute nicht leiden, die bewundernd behaupten, Katzen seien feinfühlig, zurückhaltend, diskret und weiß der Himmel was noch alles. Jedenfalls hatte ich in einem Anfall unkontrollierter Wut versucht, Momo zu fassen, um ihn irgendwie zu bestrafen. Das hatte dazu geführt, daß ich mit dem Kopf gegen die leicht geöffnete Kellertür stieß, was meinem linken Auge eine recht merkwürdige Färbung gab. Ungeachtet der sehr intensiven Schmerzen hatte ich zu einer List gegriffen, die bisher immer gewirkt hatte: Ich hatte das Haus scheinbar ruhig auf normalem Weg verlassen, um dann hinter dem Haus an der Katzenklappe auf Momo zu warten. Er erschien auch, vorsichtig spähend, sah mich harmlos im Gras hocken, dachte etwas völlig Falsches und wollte an mir vorbeiwischen. Normalerweise funktionierte der Trick immer, aber diesmal kam die lange Harke dazwischen, die ich tagsüber benutzt und dann liegengelassen hatte. Ich landete mit der rechten Schulter auf den Zinken, jubelte kurz und innig der Schöpfung zu, rollte mich in eine fötale Haltung und jammerte lauthals weiter, bis Dinah um die Ecke kam und erklärte: »Du lernst es nie!« Trotzdem schmierte sie mir Hamamelissalbe um das Auge und auf die Schulter. Wie auch immer, ich hatte Momo voodoomäßig verflucht und ihn vom Grundstück gejagt. Er war beleidigt weggeblieben, nicht mehr aufgetaucht, und im Kopfschmerztraum hatte ich ihn höhnen hören: »Du selten blöder Mensch, du!«
    »Du willst sicher, daß ich Momo suche, oder?« fragte ich Paul.
    Er sah ganz kurz zu mir hinüber und gähnte unverschämt breitmäulig und arrogant. Dann streckte er mühsam die rechte Vorderpfote nach einem über ihm gaukelnden Tagpfauenauge, das nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde in Gefahr geriet. Paul lag in der Krümmung der Lavendelbüsche, die voll in Blüte standen und zusammen mit dem Sommerflieder wahre Heerscharen von Schmetterlingen anlockten.
    Ich weiß nicht mehr recht, in welcher zeitlichen Reihenfolge Schmetterlinge aus den Raupen schlüpfen, aber der Betrieb in meinem Garten war geradezu bombastisch zu nennen. Da war zum Beispiel der kleine rostfarbene Dickkopffalter, der mit einer unheimlichen Schlaggeschwindigkeit in die Blüten tauchte. Den kleinen Malvendickkopf gab es auch, dessen Raupen
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