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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Tüte. Mit einer Hand öffnete ich die Außentasche meiner Jacke und mit der anderen ließ ich den angeblich so gesunden Inhalt in die Jacke rutschen. Schließlich schüttelte ich die letzten Krümel über das Geländer. Als ich mir zum Schluss die Tüte über die Hand zog, wollte Ferdi eingreifen, da er wohl an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln begann.
    »Geht’s dir wirklich gut, Reiner? Kann es sein, dass dir in dieser Höhe der Sauerstoff etwas knapp geworden ist?«
    Auch diese ketzerische Anmerkung ließ ich unkommentiert. Stattdessen zeigte ich mit meiner folienbehandschuhten Hand auf das Geländer. An einer Stelle, wo zwei Querholme miteinander verschweißt waren, hingen Faserspuren. Ich griff sie vorsichtig und zog dann mit der anderen Hand die Tüte über die Fasern. Damit hatte ich die Faser ohne Handberührung geborgen.
    Ferdi nickte anerkennend. »Da habe ich dich mal wieder ziemlich unterschätzt, Herr Kriminalhauptkommissar.«
    »Not macht erfinderisch. Ein Kollege hat mal eine Spur in einem Kondom geborgen, weil er nichts anderes zur Hand hatte. War aber ein unbenutztes.«
    Die Kälte nahm überhand. Wir beschlossen, das Feld zu räumen.

3 Dienst ist Dienst
    Die Polizei war da.
    »Wo kommen Sie her?«
    Diese, an uns in herrischem Ton gerichtete Frage war das Erste, was wir hörten, als wir aus dem Sudhaus kamen. Eigentlich antwortete ich nie auf Fragen, die in einer solchen Art und Weise an mich gestellt wurden. Ausnahmsweise wollte ich dennoch antworten. Doch ich kam nicht dazu. Der vermutliche Zivilbeamte, den ich nach einer ersten groben Einschätzung auf gut 100 Jahre taxierte, unterbrach mich bei der ersten Silbe.
    »Sind Sie der Beamte von drüben?«
    Er meinte wohl Rheinland-Pfalz.
    Ich nickte, auch wenn das für diesen Kerl vielleicht schon ein bisschen zu viel Entgegenkommen war.
    »Das ist ein Tatort, das wissen Sie doch? Warum mischen Sie sich ein, statt uns zu rufen?«
    Neben dem Kommissar, um so etwas musste es sich handeln, auch wenn er in Zivil war, stand sein Assistent. Immer wenn sein Chef redete, wackelte er Kopf nickend wie ein Schleimer.
    Ich wusste, dass man solchen Personen am besten die Luft herausließ, indem man die Gesprächsführung etwas dehnte.
    »Ja«, sagte ich zu ihm, auch wenn die Antwort nur auf einen Teilbereich seiner Fragen passte.
    Dem 100-Jährigen, Ottfried Fischer nicht unähnlich, war dies egal. Vermutlich konnte er sich an seine Fragen schon nicht mehr erinnern.
    »Wegen Ihnen muss ich noch mal raus. In ein paar Tagen werde ich pensioniert, und seit zwei Jahren arbeite ich nur noch im Innendienst. Ausgerechnet jetzt müssen alle jüngeren Kollegen krank sein.«
    »Bedauerlich«, antwortete ich und gab alles. »Die haben bestimmt zu viel Weihnachtsgebäck vom Weihnachtsmarkt gefuttert. Das kann schwer im Magen liegen.«
    Ich schaute ihn leicht schräg an. »Bei Ihnen verdünnt sich das aber.«
    Der schleimige Assistent erstarrte. So hatte anscheinend bisher noch niemand mit seinem Vorgesetzten gesprochen.
    »Was ist passiert?« Kommissar Specki schien sich nicht mit Freundlichkeiten aufhalten zu wollen.
    »Würden Sie mir bitte zunächst sagen, wer Sie sind? Da könnte ja jeder kommen und einen auf Autoritätsperson machen. Mein Name ist übrigens Reiner Palzki, Kommissar von drüben.«
    Mein Gegenüber schien dem Platzen nahe. »Jeder hier weiß, wer ich bin. Ich habe keine Lust, mich Ihnen gegenüber –, sagten Sie Palzki? Aus Schifferstadt?«
    Oh, ich war berühmt.
    »Heißt Ihr Vorgesetzter zufällig Klaus Diefenbach?«
    Oh, KPD, wie wir unseren Vorgesetzten Klaus Pierre Diefenbach wegen seiner Initialen nannten, war auch berühmt.
    Mein Nicken löste eine Lachsalve aus.
    »Das ist der Hammer! Dass ich das noch erleben darf. Klaus hat bei unserem Stammtisch schon viel über Sie erzählt. Sind Sie wirklich so ein Ermittlungschaot? Klaus erzählt ständig die verrücktesten Geschichten. Wieso versetzt man Sie nicht als Parkwächter in den Maudacher Bruch? Da passiert weniger.«
    Er lachte und lachte. Jetzt konnte ich mich nicht einmal mehr im ausländischen Baden-Württemberg blicken lassen. Das würde Folgen haben. Für KPD. Ich nahm mir vor, bis zum bitteren Ende zu kämpfen.
    »Kann ich jetzt gehen?«
    Nachdem sein Bauchbeben nachgelassen hatte, sagte er: »Von mir aus, hier handelt es sich schließlich nur um einen Suizid.«
    »Dann wird’s wirklich Zeit, dass Sie pensioniert werden«, entgegnete ich schadenfroh. »Ich möchte lieber
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