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Rächerin der Engel

Rächerin der Engel

Titel: Rächerin der Engel
Autoren: Mary Stanton
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recht, was sie tun sollte, wenn der O’Rourkesche Nachlass drankam. Sie blätterte den Katalog durch. Der Schreibtisch gehörte zu einem Posten, der fast die gesamte Einrichtung von O’Rourkes Arbeitszimmer umfasste und aus einem schönen Sideboard aus Rosenholz, zwei abgenutzten Ledersesseln, einer Kiste mit allerlei Krimskrams sowie einem überraschend nüchternen Aktenschrank aus grauem Metall bestand.
    Nachdem der Auktionator einen nachgemachten Louis-quatorze-Sessel, eine mehr als drei Meter große Nachbildung der Sphinx von Giseh aus Kunstharz und einen enormen Ficus aus Seide an den Mann gebracht hatte, wandte er sich endlich dem O’Rourkeschen Nachlass zu. Als Erstes wurde ein sechsundzwanzigteiliges Service aus Rosenthal-Porzellan versteigert. Der Mindestpreis betrug achttausend Dollar. Tully machte das erste Gebot in Höhe von fünftausend und stieg bei siebentausend aus. Als die Gebote bei achttausend angelangt waren, hörten sie auf. Der Posten ging an einen stillen Mann in grauem Anzug, der in der hintersten Reihe saß. Dieser Vorgang wiederholte sich bei jedem Objekt aus dem O’Rourkeschen Nachlass. Tully machte das erste Gebot, stieg aus, kurz bevor der Mindestpreis erreicht war, und sah dann gleichmütig zu, wie der Posten dem Mann in der hintersten Reihe zugeschlagen wurde.
    Antonia stieß Bree heftig in die Seite. »Was ist denn los?«
    »Nichts«, erwiderte Bree verdrossen. »Was soll die Frage?«
    »Du machst ein ganz finsteres Gesicht.«
    »Tatsächlich?«
    »Du machst ein finsteres Gesicht, murmelst irgendwas vor dich hin und siehst aus, als würdest du gleich jemandem ins Gesicht springen.«
    »Hab ich aber nicht vor.«
    Antonia musterte sie skeptisch. »Bist du sicher?«
    »Ja.« Bree schüttelte ungehalten den Kopf. »Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich das nicht mehr mache.«
    »Dass du niemanden mehr verprügelst?«
    »Genau.«
    Antonia tätschelte ihr mitfühlend die Hand. »Zumindest verprügelst du gewöhnlich nur Leute, die gerade dabei sind, jemand anderen zu verprügeln.« Darüber wollte Bree jetzt lieber nicht nachdenken. Sie hatte in der Tat schon immer dazu geneigt, wider alle Vernunft in Rage zu geraten. An Antonias erstem Tag im Kindergarten hatte ihr ein anderes Kind den Miss-Kitty-Rucksack mit Dreck beschmiert, worauf Bree dieses Kind ebenfalls mit Dreck beschmiert hatte. Mit dreizehn Jahren hatte sie bei Radio Shack einen Ladendieb ausgeknockt, der auf der Flucht eine kleine alte Dame über den Haufen gerannt hatte. Mit siebzehn hatte sie einem Typ ein blaues Auge verpasst, der in der Sanitärabteilung des Home Depot auf seinen siebenjährigen Sohn eingeschlagen hatte. Und was sie als Jurastudentin mit einem sexistischen Kommilitonen gemacht hatte – nun, darüber wurde in ihrer Familie lieber Stillschweigen bewahrt. Außerdem hatte Bree die medizinischen Kosten übernommen, da sie es als ihre Pflicht betrachtete, der Universitätsklinik nicht die Behandlungskosten für eine Sache aufzuhalsen, die sie selbst verschuldet hatte. Dann war da noch der spektakuläre Angriff auf ihren ehemaligen, absolut widerwärtigen Liebhaber Payton die Ratte, der vor einem Monat in Huey’s Restaurant am River Walk stattgefunden hatte. Die Nachwirkungen dieser Eskapade waren so demütigend gewesen, dass sie sich geschworen hatte, überhaupt nie mehr in Rage zu geraten. »Ich glaube, sie betrügt.«
    »Wer?«
    »Tully O’Rourke. Sie wollte doch herkommen, um den ehemaligen Besitz ihres Mannes wiederzuerlangen, stimmt’s? Nun, sie bietet bis zu einem gewissen Punkt mit, dann steigt sie aus. Worauf der betreffende Gegenstand entweder an den Typ in der hintersten Reihe …«, Bree wies mit einer seitlichen Kopfbewegung auf den Mann in Grau, »… oder an die Frau da drüben geht.«
    Antonia erhob sich halb von ihrem Stuhl und starrte unverhohlen zu der Frau hinüber, die weit entfernt von dem Mann in Grau, nämlich am anderen Ende des Raumes, saß. »Ich werd verrückt!«, sagte Antonia. »Weißt du, wer das ist?«
    Bree fasste nach ihrer Schwester und zog sie auf den Stuhl zurück. »Herrgott noch mal, würdest du bitte den Mund halten?«
    »Das ist Barrie Fordham!«
    »Barrie Fordham?«, sagte Bree, bis der Groschen schließlich fiel. »Ciaran Fordhams Frau? Wow!« Sie widerstand der Versuchung, ebenfalls aufzustehen und die Frau anzustarren. Ciaran Fordham war seit Laurence Olivier und John Gielgud der berühmteste Shakespeare-Darsteller der Welt.
    »Mann!« Antonia schnappte nach
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