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Taylor Jackson 03 - Judasmord

Taylor Jackson 03 - Judasmord

Titel: Taylor Jackson 03 - Judasmord
Autoren: J.T. Ellison
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1. KAPITEL
    Michelle Harris saß mit zusammengebissenen Zähnen in ihrem Auto an der Ampel der Kreuzung Old Hickory und Highway 100. Sie war spät dran. Corinne hasste es, wenn sie sich verspätete. Sie würde sie nicht kritisieren, würde ihr keine Vorwürfe machen; sie würde nur auf die Uhr am Herd schauen, die Digitaluhr, die immer drei Minuten vorging, damit Corinne ein Zeitpolster hatte. Eine kleine Falte würde zwischen ihren perfekt gezupften Augenbrauen erscheinen.
    Ihr Tennismatch begann in einer Stunde. Sie hatten noch Unmengen Zeit, aber Corinne würde erst Hayden in der Kinderkrippe abgeben und dann einen Proteindrink trinken müssen, bevor sie sich zur Vorbereitung auf ihr Spiel aufwärmen und stretchen würde. Michelle und Corinne waren seit Jahren Partner im Doppel, und sie brauchten nur noch zwei Spiele, um die Meisterschaft zu gewinnen. Ihr jährlicher Sieg der Richland Klubmeisterschaft war beinahe schon eine feste Institution, hatten sie beide doch schon siebenmal in Folge gewonnen.
    Sie tippte mit den Fingern ihrer rechten Hand nervös aufs Lenkrad und zog mit der linken ihren Pferdeschwanz über die Schulter nach vorne; eine tröstende Geste, die sie sich als Kind angewöhnt hatte. Corinne hatte nie irgendwelchen Trost gebraucht. Sie war immer die Starke gewesen. Selbst wenn Michelle als kleines Kind ihren Pferdeschwanz nach vorne gezogen hatte, sodass die kleinen, ungezähmten Locken sich um ihr Ohr kringelten, war zwischen Corinnes Augenbrauen diese kleine Falte entstanden, die ihren Unmut über die Schwäche der älteren Schwester ausdrückte.
    Bei der Erinnerung daran warf Michelle den Zopf angewidert nach hinten. Die Ampel wurde grün, und sie trat das Gaspedal durch. Sie hasste es, bei Corinne zu spät zu kommen.
    Michelle nahm die Abfahrt zur Jocelyn Hollow Road und folgte der geruhsamen, sich in leichten Kurven dahinschlängelnden Straße zu der Sackgasse, in der ihre Schwester wohnte. Der Hartriegelstrauch im Vorgarten der Wolffs zeigte gerade erste Knospen. Michelle lächelte. Der Frühling kam. Ein schrecklicher Winter hatte Nashville monatelang fest im Griff gehabt, doch jetzt sah es endlich so aus, als wäre diese Zeit vorbei. Neues Leben rührte sich an den Waldrändern, Kälber wurden auf den Weiden geboren. Das Zwitschern derZaunkönige und Kardinäle hatte einen helleren Klang, und alle Altvögel erwarteten die Ankunft ihrer Jungen. Corinne trug auch ein neues Leben in sich, sie befand sich im siebten Monat einer unkomplizierten Schwangerschaft – dabei sah sie aus, als hätte sie kaum den vierten Monat erreicht. Da sie noch genauso viel Sport machte wie vor der Schwangerschaft, blieben die Babypfunde aus; sie hatte vor, bis zur Geburt Tennis zu spielen, genau wie sie es bei Hayden getan hatte.
    Das war nicht fair. Michelle hatte keine Kinder, sie hatte nicht mal einen Ehemann. Der Richtige war ihr einfach noch nicht begegnet. Ihr einziger Trost war Hayden. Mit einer so anbetungswürdigen und zauberhaften Nichte wie ihr brauchte sie kein eigenes Kind. Zumindest jetzt noch nicht.
    Sie bog auf die mit Ahornbäumen gesäumte Auffahrt der Wolffs und stellte den Motor ab. Corinnes schwarzer BMW 535i stand vor der Garage. Die gusseisernen Lampen zu beiden Seiten der Haustür brannten. Michelle runzelte die Stirn. Es sah Corinne gar nicht ähnlich, zu vergessen, die Lichter auszuschalten. Sie erinnerte sich noch an den Streit, den Corinne und Todd, ihr Ehemann, über sie gehabt hatten. Todd wollte welche, die automatisch im Dunkeln angingen und im Hellen wieder aus. Corinne hatte darauf beharrt, dass sie es ohne Probleme schaffen würden, das Licht selber an- und auszuschalten. So war es ewig hin und her gegangen. Todd argumentierte mit der Sicherheit, während Corinne behauptete, dass diese automatischen Lampen billig aussähen und nicht zu ihrem Haus passten. Am Ende hatte sie gewonnen. Wie immer.
    Corinne schaltete die Lampen immer als Erstes am Morgen aus. Wie ein Uhrwerk.
    Michelles Nackenhaare richteten sich auf. Hier stimmte etwas nicht.
    Sie stieg aus dem Wagen und schloss die Tür nicht ganz hinter sich. Der Weg zur Haustür ihrer Schwester war in einem kunstvollen Muster gepflastert, in dessen Nischen kleine Statuen standen. Es handelte sich um lächerlich teure Designerpflastersteine aus einem winzigen, jahrhundertealten Steinbruch in Virginia, wenn Michelle das noch recht in Erinnerung hatte. Sie folgte dem Weg und erreichte die Haustür. Diese war nicht verschlossen,
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