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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Autoren: Fabio Bartolomei
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erwähnten frisch gedruckten Banknoten hat bisher noch keiner zu Gesicht bekommen und wird es auch nicht, wenn ich dieses Mal nicht alle Uhren an den Mann bringe. Drittens: Sergio ist ein ehemaliger Stahlkocher, der sich beim Ohrfeigen von Polizisten in Kampfmontur den Charakter und die Hände ruiniert hat. Ich bezweifle, dass ihn mein Armani-Anzug einschüchtern wird.
    Folglich beschränke ich mich darauf, ein letztes Mal ein herausforderndes »Pah« von mir zu geben, nach dem Motto: Dir zeig ich’s noch, auch wenn Sergio und ich nur allzu gut wissen, dass es dazu nicht kommen wird. Ich lebe nun mal in einer verweichlichten und ungalanten Epoche, in der Männer ihre Fehden von Autofenster zu Autofenster, vor Fernsehkameras oder per Strafantrag ausfechten. Natürlich kommt es gelegentlich zu einer Prügelei, aber dieses vollkommene Fehlen eines ritterlichen Ehrenkodexes macht mich fassungslos. Das waren noch Zeiten, als man, in Stiefeln und mit weißem Rüschenhemd, den Degen in der Hand, Mann gegen Mann antrat. Ich erwäge kurz, dies Sergio zu erklären. Meine Eisenklinge aus Toledo gegen deinen Schraubenschlüssel aus Stahl, du Verräter!
    Die Maskenbildnerin kommt auf mich zu. Sie presst die Lippen zusammen, und mir ist klar, dass sie sich kaum das Lachen verkneifen kann.
    »Deine Stirn glänzt«, sagt sie zu mir.
    »Bei der Scheißbeleuchtung …«
    »In einer Minute drehen wir«, ruft Sergio.
    In einer Minute werde ich so tun, als sei ich live auf Sendung und hielte die tollsten Uhren zu unschlagbar günstigen Preisen in Händen. Dabei spielt es keine Rolle, dass ich seit Monaten immer wieder dieselbe alte Leier herunterbete. Ich werde so tun, als sei dieses Angebot streng limitiert, obwohl ich zweihundert dieser Dinger habe und bis auf das letzte Exemplar loswerden muss, wenn ich nicht will, dass Sergios Knöchel ihre Spuren in meinem Gesicht hinterlassen.
    »Drei, zwei, eins …«, zählt Sergio laut.
    »Geschätzte Liebhaber edler Uhren, guten Abend! Inzwischen bin ich ja wohl kein Unbekannter mehr für Sie, deswegen will ich nicht viele Worte machen und mich auf die Fakten beschränken … Hier mein heutiges Angebot: vier Chronographen mit Schweizer Uhrwerk. Schweiz habe ich gesagt, nicht Taiwan! Mit Stahlgehäuse – etwas Besseres ist momentan nicht auf dem Markt – und einem von der NASA entwickelten Zifferblatt. Doch bevor Sie nun mit Ihren Anrufen die Leitungen verstopfen, liebe Freunde, gestatten Sie mir, dass ich noch ein paar Worte über diese wertvollen Stücke verliere … Wissen Sie worauf Frauen bei einem Mann zuerst achten? Auf die Hände. Deshalb lassen Sie Ihre Hände sprechen. Mit einem Chronografen der Serie Gold am Handgelenk strahlen Ihre Hände Stil, Klasse, Power und – unter uns gesagt – auch Finanzkraft aus!«
    Was machst du beruflich? Ich arbeite beim Fernsehen. Tatsächlich? Und was tust du da genau? Zurzeit mache ich Teleshopping. Man hat mir ein paar Moderationen angeboten, aber ich will mich nicht bei Formaten verschleißen, von denen ich nicht überzeugt bin. An dieser Stelle gelingt es mir zwar nicht, mir die Miene meines Gesprächspartners vorzustellen, aber ja doch, es könnte funktionieren. Dieses Jahr werde ich zweiundvierzig Jahre alt. Ich kenne die Menschen und weiß, dass es nicht genügt, wenn ich sage: Ich verkaufe Uhren auf diversen Lokalsendern. Das würde meiner Arbeit nicht gerecht werden. Die meisten würden mich für einen von diesen Idioten halten, die sich neben einer Pyramide aus Kochtöpfen heiser schreien. Die haben doch keine Ahnung davon, was es heißt, zu hektischen Hausfrauen und schlaflosen Rentnern ins Haus zu kommen und sie zu überreden, zum Telefon zu greifen und Dinge zu bestellen, die sie absolut nicht brauchen. Es mag vielleicht vermessen erscheinen, aber meine Arbeit besteht darin, die Leute zu überzeugen. Genau, ich bin einer, der via Bildschirm die Massen bewegt. Gar nicht mal so übel.
    Normalerweise ist auf Alvaro Verlass. Er hat angekündigt, dass es auf der Party von Weibern nur so wimmeln wird. Und da ich den Typen kenne, dürften das keine versnobten Zicken sein, die sich nur von Journalisten, Radiomoderatoren oder Schriftstellern beeindrucken lassen, sondern Ladys mit Realitätssinn, die verstehen, dass ich auf meinem Gebiet eine Art Rambo bin. Ich allein gegen den Rest der Welt.
    Jetzt kreise ich schon zum dritten Mal um den Block, und weit und breit ist keine noch so winzige Parklücke für meinen SUV in Sicht. Bei dem Geld, das
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