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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Autoren: Fabio Bartolomei
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mich das Gefährt gekostet hat, müsste mir von Rechts wegen eigentlich ein freier Parkplatz vor jeder Haustür zustehen. Eine letzte Runde als Zugeständnis an die Straßenverkehrsordnung, aber dann beschließe ich, meine geländegängige Überlegenheit kreativ einzusetzen.
    Verstärkte Stoßstangen, die jede Mülltonne aus dem Weg räumen, Off-road-Reifen, die jeden noch so hohen Bordstein bewältigen: Schon habe ich einen Parkplatz und steige aus. Mein SUV bietet einen wahrhaft göttlichen Anblick. Wie er sich so auf dem Gehweg aufbäumt, gleicht er einem Raubtier aus Stahl. Ich zünde mir eine Zigarette an und lehne mich an die Motorhaube, unaufdringlich, nicht prahlerisch, nur um klarzustellen, dass ich der Gebieter dieses Luxusgeschöpfes bin. Zwei Mädchen kommen untergehakt auf mich zu. Minirock und hohe Absätze. Die wollen bestimmt zu Alvaros Party. Ich mache mich an meinem Handy zu schaffen, um meine Anwesenheit zu rechtfertigen. Aus dem Augenwinkel beobachte ich die beiden. Wie aus dem Lehrbuch: Zuerst fällt ihr Blick auf den Wagen, dann auf mich. Und da gibt es noch Leute, die meinen, die Kosten für ein Auto wären rausgeschmissenes Geld. Sie bleiben vor der Eingangstür stehen, plappern ein paar Worte in die Sprechanlage und beobachten mich ihrerseits.
    » Ist das deiner?«, fragt mich die Brünette, eine scharfe Braut von knapp einem Meter sechzig.
    In mein fingiertes Telefongespräch vertieft, antworte ich mit einem Lächeln und einem kaum wahrnehmbaren, diskreten Zwinkern.
    »Du verstellst den Zugang für Behinderte«, erklärt sie.
    Ich blicke zu Boden, tue so, als wäre mir das entgangen, lege eine Hand über das Mikro meines Handys und nicke.
    »Danke, ich fahre sofort weg.«
    Mitten im Satz fängt das Handy zu klingeln an. Die beiden schauen sich verdutzt an, ehe sie lachend in der Haustür verschwinden. Was ist das für eine Frau, die keine Augen für einen Geländewagen im Wert von vierzigtausend Euro hat, der aber sofort eine Rollstuhlrampe auffällt, die niemand je benutzen wird? Na, das werden sicher nicht die einzigen Frauen an diesem Abend sein. Ich melde mich auf meinem Handy, das immer noch klingelt. Es ist Piero, der mir mitteilt, dass bisher ungefähr magere zwanzig Bestellungen, aber siebenundneunzig beleidigende Anrufe samt Drohungen, mich anzuzeigen, eingegangen sind. Das sind die wütenden Kunden aus dem Vormonat. Ist das vielleicht meine Schuld? Der Lieferant hat schließlich auch mich mit seinen gefälschten Chronografen beschissen. Zwanzig Bestellungen sind eine Katastrophe, aber bis morgen früh wird die Sendung noch zweimal wiederholt. Da kann sich noch einiges tun.
    In Alvaros Wohnung bietet sich mir ein trostloser Anblick. Ein Dutzend verzweifelter Männer umkreist die beiden Frauen, die einzigen weiblichen Wesen, die dicht nebeneinander auf dem Sofa sitzen. Mein Auftritt lockert zum Glück die Atmosphäre ein wenig auf. Alvaro umarmt mich wie einen Bruder, breitet theatralisch die Arme aus und klopft mir kräftig auf die Schultern. Ich begrüße die anderen ebenfalls wie Brüder, auch diejenigen, die ich kaum kenne. Diese lautstarken Demonstrationen von Harmonie und Vertrautheit haben stets eine große Wirkung auf Frauen. Ich weiß allerdings nicht, warum. Vielleicht nicht unbedingt auf die beiden hier, aber auf die Weiblichkeit im Allgemeinen.
    »Und die anderen?«, frage ich Alvaro, und meine damit natürlich die anderen Weiber .
    »Die dürften bald kommen«, erwidert er augenzwinkernd.
    Als es klingelt, blicken alle zur Tür. Bevor es zu spät ist, ergreife ich die Gelegenheit und stelle mich vor. Ich strecke die Hand aus.
    »Fausto Maria«, sage ich.
    »Giovanna Maria und Serena Maria«, erwidert die Brünette.
    Der Witz ist so abgestanden, dass ich darauf hereinfalle und frage: »Tatsächlich?« Während ich versuche, aus ihren Blicken schlau zu werden, treten Michelone und Sandrino ins Zimmer.
    »Entschuldigt mich«, sage ich und eile zu ihnen, um sie brüderlich zu umarmen.
    Die Mädchen trinken rasch die Gläser aus, erheben sich und nützen das allgemeine Durcheinander, um zu Handtasche und Mantel zu greifen.
    »Aber … wollt ihr schon gehen?«, stammelt Alvaro.
    »Entschuldige … wir sind nur kurz auf einen Sprung vorbeigekommen … Morgen wird ein schwerer Tag.«
    »Aber es müssen noch jede Menge Leute kommen!«
    Leider bin ich erst so spät gekommen. Diese Idioten haben die beiden Weiber völlig in die Enge getrieben, und jetzt laufen sie natürlich davon.
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