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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Autoren: Fabio Bartolomei
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die vermögen ein schlechtes Gewissen hervorzurufen. Ich schaue rasch, wie meine Freunde darauf reagieren, aber alle bleiben stumm. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern spricht Bände. Und außerdem, was sollen sie schon sagen? Armer Alex? Beknacktes Land? Ich vergeude meine Zeit nicht mehr damit, mich aufzuregen, ich handle lieber.
    Um es dieser blöden Journalistin zu zeigen, werde ich mir erst mal die Namen von Alex und Samuel auf den Arm tätowieren lassen, schön groß, genau unter meinem Maori-Tribal. So werde ich sie immer bei mir tragen. Und dann der Garten: Aus ihm werde ich einen symbolischen Ort machen. Da können sie ruhig das Haus abfackeln, es mit Dynamit in die Luft jagen – der Garten wird überleben. Ich bin bereit, jeden zweiten Tag hinzufahren, von mir aus auch mitten in der Nacht. Ich werde mich in meinen Tarnanzug werfen, mein Gesicht schwärzen und die Pflanzen wieder aufpäppeln. Und sie werden Tag für Tag ein Stück weiterwachsen. Das wird das neue Wunder der Casa dei Pazzi sein.
    Was für eine beschissene Nachrichtensendung. Jetzt werden die Auseinandersetzungen zwischen Einwanderern und Polizei als Akte blinder Zerstörungswut hingestellt. Hört, hört. Ich sehe Abu direkt vor mir. Er wird an vorderster Front protestieren. Er wird dort stehen, wo auch ich sein müsste, um den Schlagstöcken der Polizei entgegenzutreten und um lauter zu schreien als jene aufgescheuchten, blökenden Schafe, die den Afrikanern zubrüllen, dass sie gefälligst wieder nach Hause verschwinden sollen. Hört sie euch an, diese braven Bürger. Hört, wie wütend sie sind. Sie hatten sich so komfortabel eingerichtet im Camorra-Land. Bevor die »Penner« kamen. Sie zahlten Schutzgeld, senkten den Blick vor den Bossen, streuten ein wenig Sägespäne auf die Blutlachen auf der Straße, fertig. Um das zu begreifen, muss man schon besonders ticken. Also bleibt es an denen hängen, die als Letzte hierherkamen, an den Wehrlosesten, die diesem verschissenen Land einen Tritt in den Arsch verpassen müssen, damit es endlich aufwacht! Von wegen nur Erntehelfer. Diese Kerle haben die Eier in der Hose, die uns fehlen. Großer Abu. Der ist wirklich ein ganzer Kerl. Sobald meine Partner sich wieder erholt haben, muss ich sofort etwas klarstellen. Sie müssen mir schwören, dass wir uns nicht unterkriegen lassen und uns sofort auf die Suche nach einem neuen Objekt machen. Sobald wir ein anderes Haus gefunden haben, werden wir Abu und auch Vito sofort nachholen. Kein Kamerad wird zurückgelassen, wir werden sie da herausboxen. Ich kann es kaum erwarten, meinen Freunden von dieser Mission zu erzählen. Ich sehe ihre Mienen bereits vor mir. Ich werde auf die erste geistreiche Bemerkung warten, den ersten gemurmelten Halbsatz, und dann werde ich es ihnen sagen. Wo seid ihr gewesen, als ich euch gebraucht habe? Ihr habt mir freundlich ins Gesicht gelächelt, solange ihr wolltet, dass ich euch mit einem Model bekanntmache oder euch von einem Schauspieler ein Autogramm besorge. Aber als ich von euch etwas wollte, da sah ich mich plötzlich von einem Haufen Krämerseelen umringt, die mir die Rechnung präsentierten. Doch er war da, der Neger, der Illegale, der Verbrecher bis zum Beweis des Gegenteils. Er war da. Er hatte nichts, aber er half, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Kamerad Abu, anwesend!
    Jetzt ist vielleicht nicht der rechte Zeitpunkt, wahrscheinlich denken sie alle an Alex, aber morgen könnte es bereits zu spät sein. Wir müssen darüber sprechen, solange das Adrenalin noch in unseren Adern pulsiert. Gut, sobald wir die Autobahn verlassen haben. Wenn alle sich sicher fühlen. Ich weiß nicht, wie das für euch ist, ragazzi, werde ich sagen, aber für mich ist dies ein Anfang. Sergio werde ich im Handumdrehen überzeugt haben. Ich muss ihm das Ganze nur als Kampf der Proletarier gegen die Unterdrückung der Ausbeuter verkaufen, und basta. Bei den anderen bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht lassen sie sich davon entmutigen, dass wir kein Geld mehr haben.
    »Hört mal, Jungs, wie viel Kapital haben wir noch?«, frage ich.
    »Das willst du ausgerechnet jetzt wissen?«, erwidert Claudio mit dünnem Stimmchen.
    »Genügend«, sagt Diego.
    »Und das wäre?«, frage ich.
    »Uns und die Giulia«, erklärt er.

Diego
    Ob sie es verstanden haben? Fürs Erste belasse ich es bei dieser Bemerkung. Sie sollen ruhig erst ein wenig darüber nachdenken. Aber in einer Stunde werde ich sie mir einzeln vorknöpfen und klarstellen, dass ich
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