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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Autoren: Fabio Bartolomei
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Sorgen gemacht …«, erklärt Sergio.
    »Du hast dich nicht am Handy gemeldet, und dann die vielen Toten …«, fügt Claudio hinzu.
    Erst jetzt bemerkt Sergio, wie zurückhaltend Abu reagiert.
    »Samuel? Alex? Geht es ihnen gut?«, fragt er.
    Ein Blick auf unsere Mienen genügt, und alle haben verstanden. Elisa verbirgt ihr Gesicht an Claudios Schulter, der einen Moment lang wankt, aber dann doch die Kraft findet, sie an sich zu drücken.
    Ich gebe Sergio zu verstehen, dass er mir folgen soll. In der Laube erkläre ich ihm, was vorgefallen ist. Ich erzähle ihm von Abus Raserei, von der Entscheidung, die wir in Sekundenschnelle treffen mussten, und von den Camorristi, die wir freigelassen haben. Sergio folgt kopfnickend meinem Bericht. Auch als ich ihm eröffne, dass wir vielleicht sofort aufbrechen müssen, nickt er nur und scheint hin und wieder sogar zu lächeln.
    »Das habt ihr gut gemacht«, sagt er.

80
    Die massive Präsenz von Polizei und Carabinieri würde uns gewiss einige Tage Sicherheit bieten, aber dieses Risiko wollen wir nicht eingehen. Wir fangen an zu packen mit der festen Absicht, nur die wichtigsten Sachen mitzunehmen. In Wirklichkeit raffen wir ohne langes Nachdenken zusammen, was uns in die Finger kommt, und werfen es achtlos in die Taschen. Wir arbeiten wie die Roboter, wortlos und ohne darüber nachzudenken, welchen Sinn das alles hat. Als ich in die Küche komme, ist Sergio, seinen Rucksack aus grünem Segeltuch über der Schulter, bereits abfahrbereit. Gleich darauf treffen Claudio, Fausto und Elisa ein.
    »Wir werden noch einmal zurückkommen müssen, um die restlichen Sachen zu holen«, flüstert Elisa.
    »Wir nehmen mit, was wir tragen können, alles andere sollten wir vergessen«, meint Sergio.
    Niemand gibt ihm eine Antwort. Wir steigen ins Auto. Zu fünft ist das schwierig, mit Gepäck nahezu unmöglich. Ich werfe meine Reisetasche aus dem Fenster.
    »Ach, was soll der Geiz«, sage ich seufzend.
    Sergio schickt sich an, dasselbe mit seinem Rucksack zu tun, aber noch während er ausholt, gerät der Renault ins Wanken und kippt mit einem leisen Schmatzen auf die Seite.
    »Mist, verdammter!«, schimpft Sergio.
    Wir steigen wieder aus, um uns die Bescherung anzusehen. Eines der Vorderräder steht schief.
    »Die Aufhängung ist kaputt«, sage ich.
    »Kann man das reparieren?«, fragt Elisa.
    »Nicht hier. Dazu braucht man einen Mechaniker und ein Ersatzteil«, erwidere ich.
    Aber wir können nicht warten. Das wissen wir alle.
    »Auf, ragazzi, dann gehen wir eben zu Fuß zum Bahnhof und nehmen den erstbesten Zug«, schlägt Sergio vor.
    »Lieber nicht«, lässt sich eine Stimme hinter unserem Rücken vernehmen.
    Wir fahren herum, im selben Moment erschrocken und erleichtert. Vor uns steht Vito.
    »Was machst du hier? Bist du verrückt?«, frage ich.
    »Sie sind über die Felder davon. Bis morgen sucht mich keiner. Aber geht bloß nicht zum Bahnhof. Das ist viel zu gefährlich«, erwidert er.
    »Zum Henker, dann sitzen wir hier fest!«, ruft Fausto.
    »Uns bleibt immer noch die Giulia«, meint Vito.
    Wir schauen einander an.
    »Habt ihr eine Vorstellung, wie lange es dauern wird, die wieder auszugraben? Glaubt mir, sie zu vergraben war dagegen ein Kinderspiel«, sagt Sergio.
    Wir schauen uns an und überlegen, wie viel Arbeit das sein wird und wie es mit unserer Manpower aussieht. Beim Vergraben der Giulia haben uns Samuel und Alex geholfen, jetzt haben wir nur Elisa und Vito. Und wie viel Zeit wird uns das kosten? Wie viele Stunden haben wir damals gebraucht, und wie viele brauchen wir jetzt? Ein scharrendes Geräusch reißt uns aus unserer Lethargie. Abu hat einen Spaten in die Wiese gestoßen und fängt wild entschlossen an, basketballgroße Erdklumpen aus dem Rasen zu reißen.
    » Na gut, was soll’s!«, ruft Fausto.
    Wir eilen in die Abstellkammer, allen voran Elisa, und holen weitere Schaufeln.
    »Unglaublich, dass Abu noch immer willens ist, uns zu helfen …«, sage ich, während ich mir einen Spaten nehme.
    »Tja, allerdings«, entgegnet Sergio.
    »Ihr müsst euch keine Vorwürfe machen. Franco hat mir verraten, dass dieses Massaker schon von langer Hand geplant war. Das hat nichts mit euch zu tun, das ist eine komplizierte Sache …«, sagt Vito zögernd.
    »Es ist nicht unsere Schuld?«, fragt Fausto.
    »Also hat das nichts mit uns zu tun?«, frage ich.
    »Das mit den Afrikanern nicht … aber der Camorrista, den sie zuvor erschossen haben …«
    Vito zögert, schüttelt den
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