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Radieschen von unten

Radieschen von unten

Titel: Radieschen von unten
Autoren: Frida Mey
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der ganze Mann dunkelgrau. Nein, Elfie verbesserte sich in Gedanken, seine Schuhe waren schwarz und sein Hemd blütenweiß. Wie alt mochte er nun sein? Vielleicht Anfang dreißig? Seine Garderobe und sein Auftreten ließen ihn allerdings älter aussehen. Aber als Ehemann von Frau Knörringer war er trotzdem viel zu jung. Vielleicht war er ihr jüngerer Bruder.
    »Guten Morgen, Frau Ruhland. Haben Sie sich schon ein wenig eingelebt? Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wohl.«
    Ihm ihre Meinung über die katastrophalen Arbeitsbedingungen und die Unordnung zu sagen erschien Elfie nach der überaus freundlichen Begrüßung unangebracht, und so lächelte sie nur verbindlich und streckte Carlos Knörringer die Hand entgegen.
    »Ich bemühe mich, meine Arbeit zu tun«, sagte sie etwas zögerlich. »Ich hätte allerdings ein paar Fragen bezüglich der Unterlagen für die bevorstehende Steuerprüfung …«
    »Da wenden Sie sich am besten an die Chefin«, forderte Carlos Knörringer sie mit seiner angenehm warmen Stimme auf und verschwand in seinem Büro.
    Bevor Elfie ins Lager ging, sah sie sich in Ruhe in der Empfangshalle um. Dazu war sie bisher noch nicht gekommen.
    Besonders die Särge in den Ecken, die zum Teil hinter den Grünpflanzen verborgen waren, erregten ihre Aufmerksamkeit.Bei den Beerdigungen, an denen sie teilgenommen hatte – und das waren nicht wenige –, hatte sie eigentlich immer das übliche mehr oder weniger massive Eichenholz gesehen. Hier gab es Särge in Türkis, in Grün, abgestimmt auf die Farben der dekorativen Buntglasfenster. Ein Sarg war sogar mit verschiedenen Motiven bemalt, der vierte mit den Abdrücken von Kinderhänden versehen.
    Elfie stiegen die Tränen in die Augen. Wie anrührend! So konnte man schon bei der Gestaltung des Sargs anfangen, Abschied zu nehmen von einem lieben Verstorbenen, und ein wenig von der Trauer an das Holz abgeben. Wenn das doch schon bei Ludwig möglich gewesen wäre. Das wäre ihr sicher damals eine große Hilfe gewesen, um sich mit der schmerzlichen Tatsache abzufinden, dass sie ihn nie wiedersehen würde.
    Während Elfie nach einem Taschentuch griff, hörte sie, wie die schwere Eingangstür ins Schloss fiel. Sie trat hinter einen großen Philodendron und wischte sich über die Augen.
    Mit für sein Alter erstaunlich energischen Schritten kam ein Mann hereingestürmt.
    Carlos Knörringer, der den Besucher gehört hatte, ging ihm entgegen.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Carlos liebenswürdig.
    »Sie schulden mir so einige Erklärungen«, forderte der Mann aufgebracht.
    »Ja, bitte?«
    »Wie kann es sein, dass bei der Beerdigung meiner Frau ein Kranz mit der Aufschrift Auch Fifi vergisst Dich nicht liegt. Dazu noch mit dem Foto eines Hundes. Wo wir nie einen Hund hatten! Meine Frau mochte keine Hunde. Wir hatten immer nur Katzen. Rassekatzen und nicht solch einen Straßenköterwie den auf dem Foto.« Die Stimme des Mannes bebte vor Zorn.
    »Da handelt es sich sicher um ein Missverständnis«, versuchte Carlos den Mann zu beruhigen. »Vielleicht hat sich die Friedhofsgärtnerei vertan und den Kranz zum falschen Grab gebracht. Es tut mir sehr lei…«
    Weiter kam Carlos nicht.
    »Oh, Ihnen wird noch viel mehr leidtun! Und damit hat die Gärtnerei sicher nichts zu tun!«
    War das nicht der Witwer, bei dem sie das Kondolenzbuch betreut hatte? Ein weißhaariger alter Mann, der bei der Beerdigung so traurig, ja gebrochen gewirkt hatte. Jetzt sah er gar nicht mehr traurig, sondern vor allem wütend aus. Bei all seiner Wut bot er allerdings auch einen etwas grotesken Anblick, trug er doch an seinen Hosenbeinen altmodische Fahrradklammern aus silberfarbenem Metall, die wie ein Paar Henkel zur Seite abstanden und dem ganzen Auftritt einen würdelosen Anstrich verliehen.
    Wie hieß er noch? Irgendetwas mit W, grübelte Elfie. Wilberg oder so ähnlich.
    »Aber, Herr Wilfert«, begann Carlos Knörringer.
    Richtig, Wilfert hieß er. Elfie sah seinen Namen jetzt im Geiste vor sich, in Druckbuchstaben auf Büttenpapier.
    Erschrocken sah sie, wie Herr Wilfert nach Carlos’ anthrazitfarbener Krawatte griff und ihn zu sich heranzog. Wie viel Kraft dieser alte Herr plötzlich entwickelte. Knörringers Gesicht lief schon rot an.
    »Bitte«, stammelte er mit erstickter Stimme und versuchte sich zu befreien, ohne grob zu werden.
    Auch Herr Wilfert war rot im Gesicht, zornesrot. Kleine Spucketröpfchen flogen Carlos Knörringer ins Gesicht. Der lehnte sich zurück, wodurch
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