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Radieschen von unten

Radieschen von unten

Titel: Radieschen von unten
Autoren: Frida Mey
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mit meiner Trauerrede einfach nicht weiter.« Er warf seinen Stift auf den Schreibtisch und sprang auf. »Aber lassen Sie mich das machen. Möchten Sie Espresso, Cappuccino oder Latte macchiato? Unsere neue Maschine bereitet alles nach Wunsch.«
    »Dann nehme ich gern einen Cappuccino.« Elfie freute sich über die zuvorkommende Art Bornekamps und reckte sich auf ihrem unbequemen Stuhl.
    Etwas unbeholfen machte sich Bornekamp am Kaffeeautomaten zu schaffen. Auch nicht mehr der Jüngste, dachteElfie, als sie ihn betrachtete. Zwar war sein Haar noch voll, aber schon völlig ergraut – friedhofsblond eben. Wie passend bei seinem Beruf! Elfie schmunzelte vor sich hin.
    »So, bitte schön.« Theodor Bornekamp stellte einen Cappuccino mit reichlich Milchschaum vor sie hin. »Möchten Sie ein paar Gummibärchen dazu?« Er zog eine seiner Schreibtischschubladen auf und nahm einen Teller mit Fruchtgummis heraus. »Aber bitte nicht von den grünen«, entfuhr es ihm.
    »Warum nicht die grünen?«, fragte Elfie neugierig.
    »Die sind mit Waldmeistergeschmack. Das sind mir die liebsten.« Er errötete. »Entschuldigung, das war sehr egoistisch von mir. Nehmen Sie ruhig auch von den grünen.«
    Elfie musste lachen. »Nein, danke, ich mag keine Gummibärchen. Schon gar nicht zum Kaffee.«
    »Wollen wir die Pause nicht draußen verbringen?«, fragte Bornekamp. »Hinter dem Haus steht eine Bank, wo wir uns hinsetzen können. Ich sage nur schnell Herrn Knörringer Bescheid. Er ist ja da, wenn Kunden kommen.«
    »Ein bisschen frische Luft würde uns sicher guttun«, erwiderte Elfie und erhob sich.
    Die Bank befand sich direkt hinter der Remise. Bis zum Zaun waren es höchstens drei Meter. Der winzige Garten wurde von einem dreistöckigen Mehrfamilienhaus auf dem Nachbargrundstück völlig verschattet.
    »Schade, dass hier alles so zugebaut ist«, sagte Elfie, nachdem die beiden sich mit ihren Kaffeetassen gesetzt hatten. Bornekamp legte einen Finger an die Lippen und deutete mit der anderen Hand nach rechts. Vorsichtig lugte Elfie um die Hausecke und sah, dass die großen Flügeltüren zum Chefbüro weit offen standen.
    Sie nickte und fuhr im Flüsterton fort: »So eine schönealte Villa braucht doch Raum, um zu wirken. Aber hier können einem ja die Nachbarn auf den Tisch gucken.«
    »Bis vor ein paar Jahren war hier ein riesiger Park mit herrlichem Baumbestand«, entgegnete Bornekamp genauso leise. »Aber dann hat Frau Knörringer den Grund verkauft. Sie wollte unbedingt expandieren. Nicht nur, dass sie die Filiale in der Bamberger Straße samt Blumenhandlung eröffnet hat, sondern sie hat auch einen Konkurrenten nach dem anderen aufgekauft. Seitdem kann ich mich vor Arbeit kaum noch retten.« Er seufzte. »Ich bin nämlich auch in den Filialen für die Trauerreden zuständig. Denn das meiste Personal dort wurde entlassen. Dafür hat das Geld wohl nicht mehr gereicht.«
    »Haben Sie schon einmal mit Frau Knörringer darüber gesprochen, dass Ihnen die Arbeit zu viel wird?«, wollte Elfie wissen.
    Bornekamp lachte freudlos auf. »Das habe ich probiert – einmal und nie wieder. Sie hat mir sofort mit der Kündigung gedroht. Aber langsam greift die Überlastung meine Gesundheit an. Trauerreden zu verfassen ist ein sehr kreativer Prozess, der auf Druck nicht gut funktioniert. Nachts wälze ich mich oft schlaflos herum und suche nach passenden Formulierungen. Und mein Arzt sagt, ich hätte schon einen nervösen Reizmagen.«
    Elfie schüttelte mitfühlend den Kopf. »Sie Armer. Vielleicht sollten Sie sich nach einer anderen Stelle umsehen«, schlug sie vor.
    »Mit dreiundsechzig Jahren nimmt mich doch keiner mehr«, erklärte Bornekamp.
    Noch bevor Elfie etwas erwidern konnte, war aus dem Chefbüro Carlos Knörringers Stimme zu hören. »Da bist du ja endlich. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Gab es gesternProbleme? Du bist ja erst spät nach Hause gekommen.«
    »Ja, es war nicht so einfach«, war jetzt Juliane Knörringers Stimme zu vernehmen. Sie sprach viel leiser als sonst, so dass Elfie sie kaum verstehen konnte. »Die Tochter von Frau Peters ist in der Leichenhalle aufgekreuzt und hatte in letzter Minute alle möglichen Änderungswünsche. Das hat gedauert.«
    »Du siehst mitgenommen aus. Fühlst du dich nicht wohl? Hast Du heute deine Tabletten schon genommen?«, fragte Carlos.
    »Du weißt doch, dass ich die nur im Notfall nehme. Sonst bekomme ich so dicke Füße, dass ich nicht mehr in meine Tanzschuhe passe. Ich habe
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