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Radieschen von unten

Radieschen von unten

Titel: Radieschen von unten
Autoren: Frida Mey
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einfach schlecht geschlafen und furchtbares Kopfweh.« Julianes Stimme klang müde. »Aber ich muss los. Die erste Beerdigung ist um elf Uhr. Und vorher muss ich noch kurz ins isländische Generalkonsulat wegen dieser Frau Ingadottir, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.«
    Elfie war aufgesprungen, ließ sich aber gleich wieder auf die Bank sinken.
    »Jetzt habe ich gedacht, ich erwische die Chefin und kann sie endlich wegen der Lieferantenrechnungen fragen, aber nun ist sie schon wieder weg«, flüsterte sie und fügte hinzu: »Hoffentlich lässt sie sich wenigstens eine Quittung geben, wenn sie im isländischen Generalkonsulat etwas kauft.«
    Einen Moment lang sah Theodor Bornekamp sie verdutzt an. »Was soll sie denn dort kaufen?« Dann begann er zu kichern. »Islandmoos vielleicht? Für Grabgestecke?«
    »Nun ja, es muss doch alles seine Ordnung haben«, verteidigte sich Elfie halbherzig, »Ordnung ist das halbe Leben.«
    »Hier wohl eher das halbe Sterben.« Theodor Bornekamp kicherte immer noch, und jetzt musste auch Elfie lachen.
    Sie hörten die Eingangstür zuschlagen. Dann war Stille. Elfie und Bornekamp blieben noch einen Moment sitzen. Dann nahmen sie ihre Kaffeetassen und gingen kichernd in ihr Büro zurück.
    Elfie sah Theodor Bornekamp das erste Mal so locker und gelöst. Es stand ihm gut. Die Falten auf seiner Stirn hatten sich geglättet, er wirkte dadurch deutlich jünger. Er sah ohnehin ganz gut aus, war viel größer als Paul-Friedrich. Schuldbewusst erinnerte sich Elfie daran, dass der Antiquar schon ein paar Mal auf ihre Mailbox gesprochen und sie ihn immer noch nicht zurückgerufen hatte. Heute Abend würde sie mit Paul-Friedrich telefonieren, das nahm sie sich fest vor.
    Die Bismarckstraße war ruhig und beschaulich – ein wenig zu beschaulich für Alex’ Geschmack. Keine lärmenden Kinder oder bellenden Hunde, auf der Straße zeigte sich überhaupt kein lebendes Wesen, sie lag wie ausgestorben da. Auf den kleinen Grundstücken drängten sich zweistöckige Einfamilienhäuschen mit spitzen Giebeln. Putzig – das war der Ausdruck, der Alex dazu einfiel. Sie parkte direkt vor Nummer 35. Das Haus hob sich aus der gleichförmigen Umgebung zumindest durch einen frischen weißen Anstrich heraus.
    Sie hatte kaum den Klingelknopf berührt, als sich schon die Haustür öffnete und eine ältere Frau in geblümter Kittelschürze und mit einem Schrubber in der Hand erschien.
    »Wollen Sie zu mir?«
    Das klang nicht unfreundlich, eher erwartungsvoll, auf jeden Fall neugierig.
    »Kommissarin Lichtenstein von der Kripo.« Alex zeigte ihren Dienstausweis. »Sie sind Frau Neumann?«
    »Ja, das bin ich. Kommen Sie herein. Endlich interessiert sich die Polizei für den armen Jo.«
    Der Name Jo klang aus ihrem Mund sehr merkwürdig, da sie ihn nicht englisch aussprach wie in Joe , sondern deutsch wie in Joghurt .
    Bei dem Gedanken an Joghurt meldete sich Alex’ Magen prompt mit einem Knurren. Zum Mittagessen war heute keine Zeit geblieben.
    In dem engen Flur wartete Alex, wohin Anneliese Neumann sie dirigieren würde. Doch diese blieb ebenfalls stehen und schaute demonstrativ auf Alex’ Füße.
    »Die Schuhe ziehen wir aber mal schön aus. Es ist frisch geputzt. Hier sind Besucherhausschuhe.«
    Beinahe hätte Alex laut aufgelacht, als sie die Filzpantoffeln entdeckte. So etwas hatte sie das letzte Mal auf einem Schulausflug bei der Besichtigung einer Burg getragen. Folgsam zog sie jedoch ihre Schuhe aus und schlüpfte in die Pantoffeln, die ihr viel zu groß waren. So schlurfte sie reichlich unelegant hinter Frau Neumann her ins Wohnzimmer.
    »Nehmen Sie schon mal Platz. Ich komme gleich. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
    »Sehr gern. Danke.«
    Vielleicht ließ sich ihr Magen vorerst auch mit Flüssigkeit beruhigen. Nachdem die tüchtige Hausfrau verschwunden war, setzte sich Alex und musterte den Raum. Über das Sofa und die Sessel waren Decken drapiert, und zwar nicht nur auf den Sitzflächen, sondern auch auf den Rücken- und Seitenlehnen – sicher, um die Bezüge zu schonen. Auf einem Sessel thronte eine weiße Plüschkatze. Schrankwand, Sideboard und Essecke wirkten altbacken und abgenutzt. An dergegenüberliegenden Wand hing ein Bild von einem röhrenden Hirschen in einem garantiert unechten goldenen Rahmen. Nun ja, die Geschmäcker waren verschieden.
    Anneliese Neumann kam mit einem Tablett zurück. Die Kittelschürze war verschwunden, stattdessen trug sie nun eine beigefarbene
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