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Rachsucht

Titel: Rachsucht
Autoren: M Gardiner
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seinen Arm geschlungen und wirkte mit ihrem durchtrainierten, gebräunten Körper viel jünger als er. Dem letzten Zustellungsbeauftragten, der sich in die Nähe ihres Hauses gewagt hatte, hatte sie die Hunde auf den Hals gehetzt.
    »Ihre Dobermänner wird sie heute Abend wohl nicht dabeihaben«, sagte ich und stieg aus dem Wagen. »Ich stelle ihm die Klage zu, Jesse.«
    Als ich über die Straße ging, flammten die Lichter der Stadt unterhalb der grünen Berghänge auf wie ein glitzernder Sprühregen. Die Kondensstreifen der Jets am Himmel über mir färbten sich im Licht des Sonnenuntergangs rosa. Vor mir strebten Humphrey Bogart, Kleopatra und der Papst dem Museum zu.
    Immer locker bleiben, sagte ich mir. Tu so, als wärst du eingeladen. Man muss sich nur richtig verkaufen.
    Genau darin war Cal Diamond Meister. Nur weil er sich als begnadeter Geschäftsmann präsentierte, hatten Anleger tonnenweise Geld in seine Softwarefirma geschaufelt, die sich bezeichnenderweise Diamond Mindworks nannte. Aber Diamonds Erfolgssträhne stand vor dem Aus, denn seine Investoren hatten Jesses Kanzlei engagiert, um ihn zu verklagen.
    Das Problem war, dass sich Diamond seit Wochen vor der Zustellung der Papiere drückte. Jesse wurde allmählich sauer, und wenn er sauer war, ließ er sämtliche Skrupel fahren.
    Das war eine der Eigenschaften, die ich an ihm liebte.
    Er wusste, dass sich Diamond diese Benefizveranstaltung nicht entgehen lassen würde. Immerhin war seine Firma einer der Sponsoren. Für uns eine günstige Gelegenheit, ihm die Ladung aufs Auge zu drücken.

    Ich stieg die Treppe zum Eingang hinauf. An der Tür war eine Frau mit Klemmbrett postiert, die die Namen mit der Gästeliste verglich. Sie trug eine winzige, eckige Brille und braunen Lippenstift. Als ich mich ihr näherte, setzte sie eine wissende Miene auf und deutete mit dem Stift auf mich.
    »Lassen Sie mich raten. Jackie Kennedy?«
    »Das gibt einen halben Punkt für das richtige Jahrzehnt. Wer hat hier die Leitung?«
    Der Stift schwebte in der Luft.
    »Hallo, aufwachen!«, sagte ich. »Arbeiten Sie für dieses Museum?«
    Ihr Mund zuckte. »Allerdings.«
    »Na, dann kann ich Ihnen nur viel Spaß wünschen.« Ich deutete über meine Schulter. »Einer Ihrer Gäste fährt nämlich gerade um den Block und sucht nach einem Parkplatz. Er ist als einsamer Cowboy verkleidet und hat einen Pferdeanhänger im Schlepptau.«
    »Das meinen Sie doch nicht …«
    »Und ob ich das ernst meine! Wollen Sie warten, bis er hoch zu Ross durch die griechische Antikensammlung prescht?«
    Sie spähte blinzelnd auf die Straße hinaus. »Warten Sie bitte hier.« Damit eilte sie die Stufen hinunter, und ich marschierte hinein.
    Mehr als zwei Minuten blieben mir nicht, bevor sie den Trick durchschaute. Ich rauschte durch das Foyer an einem Streichquartett vorbei in die Hauptgalerie. Über dem Oberlicht wölbte sich ein tiefblauer Himmel, der von Gauguin hätte stammen können. Die Gäste standen in Grüppchen beisammen, tranken und schlugen Rad wie eitle Pfauen. Die meisten waren Leute aus der Technik, die Geld für naturund
ingenieurwissenschaftliche Stipendien sammeln wollten. Babyboomer in Polyester, die offenbar den guten alten Zeiten hinterhertrauerten. Ich entdeckte Sonny und Cher und Darth Vader; von Zorro keine Spur.
    Das Stimmengewirr dröhnte mir in den Ohren. In meinem Kopf gesellte sich noch die Stimme meines Vaters dazu. Wir haben dich doch nicht für Tausende von Dollar Jura studieren lassen, damit du als Kanzleibotin endest! Ein Kellner reichte mir ein Glas Chablis. Ich weiß, dass du nichts für Papierkram übrighast, aber dass du dich als Botin verdingst! Was denkst du dir eigentlich dabei? Ich drängte mich weiter durch die in Chiffon und Spandex gewandete Menge.
    Und lief Lady Dobermann direkt in die Arme.
    Mari Diamond trug ein Rubincollier mit ihrem Vornamen um den Hals, allerdings wäre das Wort »Trophäe« darauf um einiges passender gewesen. Ich schätzte sie auf etwa vierzig. Sie war dünn wie ein Model, aber das trägerlose schwarze Abendkleid gab den Blick auf zwei perfekte Brüste frei. Die Rechengenies im Raum hätten alle Hände voll damit zu tun gehabt, unter Berücksichtigung der Molekularmasse von Silikon Volumen und Dichte dieser beiden Prachtexemplare zu ermitteln. Das platinblonde Haar war hoch aufgetürmt, und in einer Hand hielt sie ein Glas Rotwein. Sie stand bei einem Mann mit sandfarbenem Haar. Ich versuchte auszuweichen, doch ihr Gesprächspartner
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