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Rachsucht

Titel: Rachsucht
Autoren: M Gardiner
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diesem Moment hörte ich in der Nähe des Eingangs eine Peitsche knallen. Als ich aufsah, stolzierte ein zweiter Zorro herein.
    Im Raum brandete Gelächter auf. Zorro Nummer eins stemmte beim Anblick seines Doppelgängers konsterniert
die Hände in die Hüften. Mir trat der Schweiß auf die Stirn.
    »Da ist sie!«, rief eine Frauenstimme.
    Die Herrin des Klemmbretts schob sich mit einem Wachmann im Gefolge durch die Menge und drohte mir mit dem Finger. »Sie da! Jetzt gibt’s Ärger.«
     
    Wenn ich an die Szene zurückdenke, wird mir klar, dass ich schon damals viele der Puzzleteile vor Augen hatte. Aber sie waren verstreut wie Blätter, die im Wind über den Boden treiben, und ich konnte das Gesamtbild nicht erkennen. Es war der letzte Augenblick, bevor der Albtraum begann.
    In der Nähe des Eingangs brüllte ein Mann etwas. Der Ordner hob einen Finger zu seinem Ohrhörer, lauschte und rannte zur Tür. Meine Freundin, das personifizierte Klemmbrett, starrte ihm verwirrt nach. Vielleicht fragte sie sich, ob der einsame Cowboy nun doch noch aufgetaucht war. Sie warf mir einen misstrauischen Blick zu.
    Ein zweiter Ordner drängte sich durch die Menge. Mein Mobiltelefon klingelte einmal kurz. Mich überlief es eiskalt, und ich wandte mich zum Gehen.
    George Rudenski legte mir die Hand auf den Arm. »Warum suchen Sie Cal?«
    »Das spielt keine Rolle mehr.«
    »Ist das eine Falle?« Seine sonst so ruhigen Augen brannten. »Wir wollen heute Abend Geld für Kinder aus benachteiligten Familien sammeln. Da ist kein Platz für Sensationsjournalismus.«
    Der Mann hatte gar nicht so unrecht, auch wenn ihm meine Rolle nicht klar war. Ich wand mich aus seinem Griff und flitzte durch die Tür, bevor mich das Klemmbrett aufhalten
konnte. Eine besonders gute Figur hatte ich nicht abgegeben.
    Draußen herrschte Chaos. Vor dem Museum waren zwei Autos ineinandergekracht. Ein weißer Minivan war auf dem Gehsteig gelandet, und ein blauer Audi hatte einen Briefasten geschrammt.
    Die Ordner stürmten auf den Audi zu. Jesses Auto.
    Ich raste die Treppe hinunter, wobei ich mir große Mühe gab, nicht in Panik zu geraten. Der Minivan-Fahrer marschierte jetzt auf den Audi zu und fuchtelte mit den Armen.
    »Haben Sie denn keine Augen im Kopf?«, brüllte er. »Sie sind direkt vor mir ausgeschert!«
    Ein Ordner riss die Fahrertür des Audi auf.
    »Los, aussteigen!«
    Er beugte sich vor und packte Jesse am Arm. Am liebsten hätte ich ihm eine geschmiert.
    Jesse riss sich los. Er telefonierte, benutzte aber das Headset, sodass er die Hände frei hatte.
    »… in südlicher Richtung auf der State Street«, sagte er. »Jetzt gerade. Eins achtzig groß, braunes Haar, blaues Businesshemd und kakifarbene Hose.«
    Der Ordner griff erneut nach ihm.
    »Fassen Sie mich nicht an.« Er rammte dem Ordner den Ellbogen in den Bauch und schlang einen Arm ums Lenkrad, damit der Mann ihn nicht aus dem Wagen zerren konnte. »Ja, zu Fuß«, sagte er ins Telefon.
    Ich holte tief Luft. Zumindest war er nicht verletzt. Und er sprach offenbar mit der Polizei, allerdings nicht wegen des Blechschadens, den er verursacht hatte.
    »Was ist los?«, fragte ich.

    Der Minivan-Fahrer fuhr herum. »Kennen Sie den Kerl? Wo hat der denn fahren gelernt? In der Baumschule?«
    Jesse sah auf. Seine Augen funkelten.
    »Brand ist hier.«
    Seine Stimme schnitt wie eine Guillotine durch den Lärm. Ordner, Minivan-Fahrer, Gebrüll und Gerangel verschwammen vor meinen Augen. Meine Handflächen kribbelten.
    »Wo?«, fragte ich.
    Er deutete auf die Ecke. »Er ist in der State Street verschwunden. Beeil dich.«
    Das war genug. Ich rannte los.
     
    Ich sprintete durch die State Street. Auf dem Gehsteig unter den Palmen drängten sich Menschen mit fröhlichen Gesichtern, die den Sonnenuntergang genossen. Aus Clubs und Restaurants drang Musik. Mit einer Hand am Kopf krampfhaft meine Perücke umklammernd, schlängelte ich mich durch die Menge.
    Verzweifelt hielt ich nach Brand Ausschau. Eins achtzig groß, braunes Haar, blaues Businesshemd und kakifarbene Hose, das passte auf Dutzende von Männern. Aber Brand war einzigartig.
    Franklin Brand war der Mann, der mit seinem zwei Tonnen schweren, 325 PS starken Auto Jesse und Isaac Sandoval über den Haufen gefahren und feige ihrem Schicksal überlassen hatte. Noch in der Nacht des Unfalls war er aus Santa Barbara verschwunden. In den letzten drei Jahren hatte der Mistkerl im Ausland das Leben genossen, während Isaac zu Staub zerfiel und Jesse darum
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