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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
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ich meinen Atem, der in meinen Ohren wie eine herannahende Dampfwalze klingt. Ich kralle meine Finger fest um die Oberschenkel, um mich zu beruhigen. Am Ende wird doch noch jemand auf mich aufmerksam! Ein rascher Blick in die Runde zeigt mir jedoch, dass sich, wie üblich, niemand für mich interessiert, und ich entspanne mich etwas.
     
    An der Haltestelle Ottilienstraße steigt eine junge Mutter mit Kinderwagen zu. Der Wonneproppen zieht sogleich die Aufmerksamkeit vieler Mitfahrer auf sich, denn er plappert munter vor sich hin, während er seine Mutter durch das Auf-den-Boden-werfen von Spielzeug fit hält. Umso besser. Wenn sie weiter als bis Südfriedhof mitfahren, kann die Ablenkung der anderen gar nicht perfekter sein.
    Geduld ist nie eines meiner Laster gewesen – eine Tugend ist es entgegen landläufiger Meinung jedenfalls nicht – und ich fiebere dem Moment entgegen, die Haltestelle am Badesee zu erreichen.
     
    Endlich. Schon kann ich die Fußgängerampel sehen. Mit einer lasziven Bewegung klappt sie ihr Buch zu und verstaut es in ihrem dunkelblauen Rucksack, den sie lässig über die linke Schulter baumeln lässt. Sie schlängelt sich aus dem Sitz. Auf dem Weg zum Ausgang passiert sie mich. Doch noch ahnt sie nichts von meiner wichtigen Rolle in ihrem Leben und so streift mich ihr Blick nur desinteressiert.
    Sie sieht sich nicht um, schleudert nur ihren Rucksack in die richtige Position und macht sich dann zügig auf den Weg, der sie durch ein Waldstück führen wird. Wie kann eine so junge und so schöne Frau nur so selbstbewusst und leichtsinnig sein? Jedes junge Ding weiß doch heute um die Gefahren, die im Wald lauern konnten. Aber ich will mich nicht beklagen – mir wird es die Arbeit ungeheuer erleichtern.
    Sie hört mit Sicherheit meine schmatzenden Schritte auf dem nassen Weg hinter sich, dreht sich aber nicht um. Offensichtlich hält sie mich für einen harmlosen Nachbarn auf dem Weg zu Couch, Bier, Fernseher und Chips.
    Eigentlich ist es fast schade, dass sie nun aus ihrem Fehler nicht mehr würde lernen können!
    Fasziniert beobachte ich ihren wiegenden Schritt. Sie kann sich wirklich unglaublich aufreizend bewegen! Elegant schwingt ihr Becken hin und her. Wie bei einem Model auf dem Catwalk. Unter ihrem hautengen Rock zeichnen sich die Konturen ihres Slips deutlich ab. Tolle Figur!
    Nur die derben Schuhe, die sie so gerne trägt, passen nicht zu ihrer elfenhaften Erscheinung – aber dieses Problem habe ich bedacht.
    Ihre üppige blonde Mähne hüpft durch ihre dynamischen Bewegungen von einer Schulter zur anderen. Sehr sportlich und außerordentlich begehrenswert! Und für niemanden wird das je wieder von Bedeutung sein.
    Kurze Zeit später erreichen wir die Stelle, die ich schon sorgfältig für uns vorbereitet habe. Mein Atem geht jetzt stoßweise und ich taste in meiner Manteltasche nach meinem kalten Helfer, umklammere ihn krampfhaft, um nicht zu früh zu handeln. Noch einen kurzen Moment Geduld. Oh, wie sehr man diesen Engel doch vermissen wird!
     
    Rasch hole ich auf und verkürze die Strecke zwischen uns. Als ich praktisch gleichauf mit ihr bin, dreht sie sich doch noch um und sieht mich aus ihren wunderschönen, blauen Augen fragend an.
    Der Stein in meiner Hand kracht hart gegen ihre Schläfe und mit dem Splittern der Schädelknochen sind alle Fragen ihres jungen Lebens mit einem Schlag beantwortet.
     
    Jeder Künstler, der vom eingefahrenen Weg abweicht, hat Schwierigkeiten vom Publikum verstanden zu werden. Joseph Beuys zum Beispiel.
    Er war eben seiner Zeit schlicht voraus.
    Ich hatte daher durchaus mit einem gewissen Unverständnis gerechnet. Das blieb bei großem Publikum nun einmal nicht aus. Und ich habe ein wirklich riesiges Publikum. Doch leider alles Ignoranten. Sie nennen mich »Mörder«, »Monster« oder »Bestie«, doch das ist nur Ausdruck ihres Nicht-Begreifens! Meine Botschaft wurde offensichtlich nicht verstanden! Aber sie werden nicht umhin können sich mit meinem Werk auseinander zu setzen. Dafür werde ich eigenhändig sorgen! Sie können noch nicht deuten, was sie sehen. Es ist noch zu unscharf. Doch mit jeder Toten wird es deutlicher zu erkennen sein! Und dann werden sie mir dankbar sein – dankbar dafür, dass ich ihnen endlich die Augen geöffnet habe, sie aus ihrer Verblendung erlöste!
    Ich bin jetzt immerhin schon beinahe berühmt. Das war und ist natürlich auch immer ein gutes Motiv für große Taten. Aber ich will mehr. Ich bin ein Wohltäter der
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