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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
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heimliche Besucher bei jugendlichen Bekanntschaften. Die Alibis waren überprüft, keiner von ihnen war verdächtig. Nachtigall hatte im Grunde nichts anderes erwartet.
     
    Hatte der Täter die Kleidung mitgenommen? Nachtigall griff nach einem Kugelschreiber auf seinem Schreibtisch und begann abwesend mit dem Druckmechanismus zu spielen. Vielleicht wollte er sie als Andenken. Bei dieser Art von Morden war es nicht selten, dass der Täter sich einen Fetisch oder Anker mitnahm, obwohl er damit ein ziemlich hohes Risiko einging. Warum hatte er aber dann die Schuhe zurückgelassen? Nachdenklich strich er sich mit dem Zeigefinger über die Stirn, als könne er damit das Denken anregen. Vielleicht waren Spuren an der Kleidung, die Hinweise auf den Tatablauf geben könnten – oder auf den Täter. Spermaspuren zum Beispiel. Aber wo hatte der Mörder dann die Kleidung entsorgt?
    »Die Kollegen müssen die Mülleimer in der Umgebung durchsuchen – und die Container am Park & Ride -Parkplatz an der Ringstraße.«
    Albrecht Skorubski kam gerade mit zwei Tassen Kaffee wieder herein: »In einer halben Stunde in der Pathologie.«
    Nachtigall nickte.
    »Wir müssen die Kleidung des Opfers finden. Möglicherweise gibt es biologische Spuren.«
    »Vielleicht hat er Teile davon behalten«, murmelte Skorubski.
    »Naja, wenn er mit einem Auto am Tatort war, war es ja sicher auch kein Problem die Kleidung mitzunehmen – selbst wenn sie voller Blut gewesen sein sollte.«
    »Wenn es ein geplanter Mord war, hätte er auch einfach eine Tasche mitbringen können«, Skorubski stellte seine Tasse ab und schob sie mit einem angewiderten Gesicht zur Seite.
    »Warum hat er denn die Puppe zurückgelassen? Als Zeichen?«
    Der Kollege bemühte sich heute offensichtlich Hochdeutsch zu sprechen.
    »Ja, ich denke schon. Seht euch mal diese Markierungen an – da hat sich doch jemand was gedacht, als er die aufgemalt hat.«
    »Vielleicht sind das die Stellen, die er besonders attraktiv an einer Frau findet. Das wäre doch auch gar nicht so etwas Besonderes. Schöne Haare, dralle Brüste.«
    »Und er hat auch bei der Puppe die Haare so lieblos abgeschnitten, wie er es auch bei seinem Opfer getan hat. Aber bei der Barbie ist auch noch das ganze Gesicht verunstaltet.«
    »Möglicherweise wollte er sein Opfer ursprünglich noch mehr verstümmeln und die Puppe diente sozusagen als Vorlage. Er hatte alles bis ins Detail geplant und ist gestört worden. Vielleicht von dieser Frau Mehlbrunner, die ihre Katze gesucht hat.«
    Peter Nachtigall strich sich übers Kinn.
    »Heute keine Lust auf Koffein?«, fragte er dann und zeigte auf die noch fast volle Tasse.
    »Der Magen eben. Du weißt schon«, murmelte Skorubski mit einer abfälligen Handbewegung. »Stressmagen.«
    »Und die Aussicht auf einen Besuch bei Dr. Pankratz, oder?«
     
     

6
    Die junge Frau lag auf einem glänzenden Edelstahltisch.
    An den Wänden zogen sich Arbeitstische entlang, auf denen eine Ansammlung seltsam geformter Gefäße stand. Geräte, die für spezielle Analysen gebraucht wurden, reihten sich aneinander und das unangenehme Summen der Lüftungsanlage füllte den Raum. Daneben standen Waagen mit altmodischen, runden Anzeige-Skalen. Große Behälter für allerhand chirurgisch anmutende Instrumente, von denen Nachtigall nicht wissen wollte, wozu sie im Einzelnen dienten, drängten sich neben ovalen Gefäßen, die darauf warteten, die entnommenen Organe aufzunehmen. Alles war aus Edelstahl und blitzte kalt im Vorwinterlicht.
    Dr. Pankratz, der forensische Pathologe, beugte sich kopfschüttelnd über den entstellten Körper aus dem Waldstück beim Südfriedhof.
    Der Gerichtsmediziner war sehr schlank und knapp einen Meter neunzig groß. Der grüne Kittel schlabberte bei jeder Bewegung konturlos um seinen schmalen Körper. Wenn er sich über einen toten Körper beugte, mit in spitzen Winkeln nach oben zeigenden Ellbogen, wirkte er fast wie eine erfolgreiche Jagdspinne, die ihre Beute sichern und mit raschen, präzisen Bewegungen einwickeln wollte.
    Seit einem schweren Infekt vor vier Jahren hatte er eine makellose Glatze. Seine grauen, funkelnden Augen sahen immer ein wenig spöttisch durch eine silberne Nickelbrille auf seine Gesprächspartner herunter. Peter Nachtigall schätzte ihn sehr, seine Überlegungen und intelligenten Kommentare hatten schon oft Ermittlungen entscheidend vorangebracht. Er wusste von ihm, dass er sich stets sorgfältig mit dem Tatort vertraut machte, bevor er sich
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