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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
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gleich, hätte sich nur verspätet, sei auf dem Heimweg von ihrem Freund oder ihrer besten Freundin.
    Nachtigalls Handy klingelte. Mit einem entschuldigenden Nicken zog er es aus der Manteltasche, meldete sich und lauschte dann angespannt. Das Gespräch dauerte nur wenige Sekunden.
    »Sie bringen es in den nächsten Nachrichten.«
    Skorubski nickte.
    Nach und nach mussten sich die Eltern von ihrer Sicherheit verabschieden. Ja, das sei Annas Rucksack, bestätigten sie widerwillig, ja, den Krimi habe sie zuletzt gelesen, Straßenbahn fahren war ja so langweilig. Der Vater wählte Annas Handynummer und das Mobiltelefon aus dem gefundenen Rucksack klingelte. Der Vater meinte, vielleicht wurde ihr der Rucksack doch auch nur gestohlen. Gerade heute Morgen habe er sie auf einen warnenden Artikel in der Regionalzeitung aufmerksam gemacht. Vor Handtaschendieben müsse man sich immer in Acht nehmen – besonders natürlich im November, wenn es schon deutlich vor 17 Uhr dunkel wurde – und gerade hier in der Gegend, wo es so einsam war. Ein Streifenwagen brachte die Eltern in die Pathologie. Die Identifizierung war eindeutig.
     
    Nach solchen Gesprächen fühlte sich Hauptkommissar Nachtigall wie verkatert und entsprechend mies war seine Laune. Bei diesem Fall war ihm gar nicht wohl, auch wenn er versuchte die anderen das nicht spüren zu lassen. Auch wegen Jule, gestand er sich ein, als er den PC einschaltete und sein Passwort eintippte.
    Er hatte an diesem Morgen mit ihr gemeinsam gefrühstückt. Ein viel zu seltenes Ereignis, wie er zugab. Seine Freude über ihre ungezügelte Lebendigkeit ließ ihn den Schmerz von Annas Eltern tief nachempfinden.
    Jule erzählte lebhaft von ihren Plänen, während sie ihren Kaffee tranken, von den ungeheuerlichen Zuständen in der Schule, den Ungerechtigkeiten der Lehrer und von Missverständnissen zwischen den Schülern. Ihre dicken, dunklen Locken, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, tanzten unentwegt um ihr ausdrucksvolles Gesicht mit den großen dunklen Augen, die vor Freude sprühten, vor Entrüstung oder heiligem Zorn. Mit der stolzen Bewunderung eines Vaters registrierte er die anmutigen Bewegungen, mit denen sie die Bedeutung ihrer Worte unterstrich, ihre schmalen Hände mit den langen Fingern. Und plötzlich fühlte Peter Nachtigall sich so schmerzhaft an seine Frau erinnert, dass er sich abwenden musste.
     
    Auch die Radionachrichten meldeten den Mord schon seit Mitternacht.
    »Am gestrigen Abend wurde in Cottbus die verstümmelte Leiche eines jungen Mädchens in der Nähe des Madlower Badesees gefunden. Die Polizei vermutet eine Sexualstraftat.«
    Auch die Lokalzeitung berichtete von dem Mord, hielt sich aber erfreulich zurück mit der Schilderung blutiger Details. Fotos vom Fundort auf Seite eins. Wo die immer so schnell das Material herbekamen. Außer ihrem eigenen Fotografen war doch niemand mit Kamera zu sehen gewesen!
    Nachtigall kannte den Traum der Redakteure von der ganz besonders hohen Auflage. Er seufzte. Der Pressestelle würde heute jede Menge Arbeit ins Haus stehen. Der öffentliche Druck würde sehr schnell zunehmen, wenn sie nicht rasch den Täter fänden. Es war ein ausgesprochen spektakulärer Mord und die Medien würden sich bald in ihren Berichten überschlagen.
    »Mann, was muss das für’n kaputter Typ sein, der so was macht!«, empörte sich Jule. »Schlimm genug, dass er sie vergewaltigt und ermordet hat – musste er sie auch noch verstümmeln! Also ne, wirklich!«
    Zum Abschied hatte er sich ein hysterisches: »Pass gut auf dich auf!«, nicht verkneifen können, für das er von Jule mit einem spöttischen Blick bedacht wurde.
     
    »Omnipotenz! Die glauben, sie sind einfach jedem Problem gewachsen. Typisch in diesem Alter – aber verhängnisvoll«, zischte er vor sich hin, während der Computer surrend seine Programme hochfuhr. Gereizt nahm er die Akte mit den Tatortfotos vom Stapel und schlug sie auf.
    Außer dem BH im Geäst und den Schuhen neben dem Moosbett hatte die Spurensicherung keinerlei Kleidungsstücke in der Nähe der Leiche gefunden. Interessant war die Barbiepuppe: Mit einem Stift – vermutlich einem handelsüblichen Permanentmarker – waren die Brüste umrandet und quer durch das Gesicht dicke schwarze Striche gezogen worden, ihre Haare hatte man mit einer Schere grob abgesäbelt. Fingerabdrücke konnten nicht sichergestellt werden – der Täter hatte den Körper der Puppe abgewischt. Die Halter der Fahrzeuge waren ermittelt,
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