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Rache: Die Eingeschworenen 4

Rache: Die Eingeschworenen 4

Titel: Rache: Die Eingeschworenen 4
Autoren: Robert Low
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schließlich einem Christenpriester angeschlossen hatte, zusammen mit einigen anderen, die ihm ebenfalls folgten. Nach Westen waren sie gegangen, sagte Thordis, nach Jütland, vielleicht sogar bis nach Sachsen oder weiter, denn der Gott des weißen Christus verdammte verkrüppelte Kinder nicht dazu, in Regen und Kälte zu sterben.
    Ich spürte eine Hand auf der Schulter. Ich wusste, es war Finn. Er machte runde Hundeaugen. Die anderen waren auch alle da, sie standen verlegen herum, wie es immer ist, wenn jemand, der einem nahesteht, großes Leid erfährt und man selbst nichts anderes tun kann, als mitfühlende Dinge zu murmeln.
    Ich ließ mich auf die Knie nieder und sah zum Himmel auf, diesem großen blauen Auge Odins, der alles sah, was ich tat, und mich auch jetzt sah, als ich zu begreifen versuchte, was ich geopfert hatte. Es war ein Wunder gewesen, kompliziert und rätselhaft, dass ich von den Pocken genesen war und nichts weiter als ein paar Narben davon zurückbehalten hatte. Unten am Strand schaukelte eine Knarr , an deren Bug wir unseren ramponierten Elchkopf befestigt hatten, aber sie war beladen mit Krügen voll Olivenöl und Ballen von Seide– unsere reiche Belohnung von dem dankbaren Leo. Ich war am Leben und wohlhabend, und ich verstand nicht, warum Odin mich verschont und den kleinen Koll genommen hatte.
    Ich hörte, wie Aoife ihren Sohn rief, und drehte mich um – ich wusste, was ich sehen würde.
    Der schneeweiße kleine Cormac planschte im flachen Wasser, wo die Männer hin und her liefen. Lachend, die Haare weiß wie eine Schaumkrone, erinnerte er mich wieder an den gebrochenen Brand, als ich ihm hatte sagen müssen, dass sein Sohn tot sei.
    Er war ohnehin schon ein kranker Mann, vom Wundfieber gezeichnet. Seine Knie und Ellbogen sahen aus wie Galläpfel an einer Eiche; die eine Gesichtshälfte war übersät von Narben. Ich sagte ihm, dass sein Sohn, mein Fostri, tot sei und dass wir ihn mit seinem Schwert zu Odin geschickt hatten.
    Er sagte nichts, aber als ich ging, wusste ich, es würde keine Besuche mehr von ihm geben, unsere Freundschaft war vorbei. Es würde nicht lange dauern, bis er den kleinen Cormac und dessen Mutter von mir verlangen würde, und zwar so, dass ich mich nicht weigern könnte, selbst wenn ich es wollte. Und bald darauf würde er auch einen Grund finden, um Hestreng zurückzuverlangen.
    Der Einäugige war kalt und grausam und wölfisch gewesen, wie immer. Er hatte das Leben, das ich ihm angeboten hatte, angenommen, und zwar so gründlich, als hätte er mich selbst mit seinem Speer Gungnir niedergestreckt. Schwarzauge, Thorgunna, mein Sohn, Hestreng– alles war dahin, sodass es jetzt für mich nichts mehr auf der Welt gab außer den Eingeschworenen und der Fjord Elk.
    Ich sah sie an– Finn und Ospak, Kuritsa und die anderen, Krähenbein mit seinem kühlen, verschiedenfarbigen Blick und Onund Hnufa mit seiner stets unbewegten Miene, als ob er sich gegen die Schrecken der Erinnerung wehrte. Ich sah seine unnatürliche, verkrüppelte Schulter und merkte, wie er auf den fleckigen Stein mit der flachen Vertiefung starrte, und erschrak bei dem Gedanken, dass das auch sein Wyrd hätte sein können, dem er aber irgendwie entkommen war. Ich wollte ihn fragen, wie das möglich gewesen sei, aber er erriet meine Gedanken und sah mich unverwandt an, bis ich die Augen niederschlug. Ich sah meine Männer an, einen nach dem anderen, und als mein Blick schließlich wieder bei dem Fels mit der Vertiefung angelangt war, fühlte ich die Augen aller Eingeschworenen auf mich gerichtet.
    Die Eingeschworenen, die noch immer enger als Brüder aneinander gebunden waren– und jetzt die einzige Familie, die mir geblieben war. Ein winziges Stück Glut in meiner Dunkelheit.
    » Heya, Jarl Orm«, sagte Finn leise. Er sah aufs Meer hinaus und musste wegen der Sonne die Augen zusammenkneifen. » Ich habe gehört, die Raubzüge nach England haben wieder angefangen. Dort soll es gute Beute geben.«
    » Wladimir wird uns bestimmt in Nowgorod haben wollen«, entgegnete Krähenbein und sah Finn unwillig an. » Sicher sollen wir ihm im Kampf gegen seine Brüder helfen.«
    » Egal wohin, bloß nicht zurück ins Land der Wenden«, sagte Ospak und sah mich bedeutungsvoll an. » Wie ich höre, wüten dort die roten Pocken.«
    Wieder gab es eine lange Pause, nur der Wind seufzte leise und traurig. Ich sah sie an, einen nach dem anderen, und schließlich blieb mein Blick auf dem ernsten Gesicht des Buckligen
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