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'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)

'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)

Titel: 'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Autoren: Michael Linnemann
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nicht zu antworten. Er konnte die bejahende Antwort an ihrem Gesichtsausdruck ablesen.
    „Nun gut, dann will ich euch mal alleine lassen“, sagte Timo mit unterschwelliger Aggressivität, ehe er seinen Blick zu Tommy wandern ließ. „Bis später, Thomas.“
    Kurz darauf machte er kehrt und schritt auf den Flur hinaus.
    Mit leisen Flüchen auf den Lippen.

4
    „Es wäre vielleicht besser, wenn du dich erst einmal ein wenig ausruhen würdest“, meinte Tommy zu seiner Kollegin, nachdem Timo verschwunden war.
    „Das kommt gar nicht in Frage. Ich kann diesen Fall genauso fokussiert und objektiv bearbeiten wie jeden anderen auch, verstanden?“ Nora stieß das letzte Wort viel impulsiver aus, als eigentlich beabsichtigt. Deshalb fügte sie im verbindlichen Tonfall hinzu: „Ich schaffe das schon, glaub mir.“
    Allerdings war sie sich selbst nicht ganz sicher, ob dies tatsächlich der Wahrheit entsprach. Denn die Ereignisse der letzten zwanzig Minuten wühlten sie in ihrem Inneren stark auf. Der Klang der Pistolenschüsse sauste noch immer durch ihre Ohren, der hilflose Blick des Mädchens drang noch immer tief in ihr Gehirn ein und das Blut, das aus der Brust der Fremden herausfloss, blitzte immer wieder vor ihren Augen auf.
    Während sie kurz ihre Lider schloss, um diese dramatischen Augenblicke zu verdrängen und sich wieder zu besinnen, sah Tommy sie zweifelnd an. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie seinen Ratschlag befolgt und sich zunächst etwas ausgeruht hätte. Jedoch wusste er aus Erfahrung, dass Nora mitunter sehr dickköpfig sein konnte. Wenn sie sich etwas ernsthaft in den Kopf setzte, dann zog sie es auch durch. Ohne Diskussion. Deswegen meinte er nach einer kurzen Pause kampflos: „Na schön, dann setz mich hinsichtlich des Mordes mal ins Bild. Den groben Ablauf habe ich bereits am Telefon erfahren, aber ich nehme an, dass du mir noch einige wichtige Details nennen kannst?“
    Er trat einen Schritt vor und strich sein Hemd glatt, das in seiner hellblauen Jeans steckte. Seine dunkelbraunen Haare hatte er am Ansatz wie gewöhnlich mit etwas Gel in die Höhe befördert. In seinem Gesicht sprossen einige Bartstoppeln. Mittig auf seiner Stirn erstreckte sich eine vier Zentimeter lange Narbe, die ihm unter seinen Kollegen vor geraumer Zeit den Spitznamen ‚Scarface’ eingebracht hatte – in Anlehnung an den Filmklassiker mit Al Pacino aus dem Jahr 1983. Nora wusste, dass diese Narbe das Zeugnis eines Unfalls aus Thomas’ Kindheit war. Als er eines Tages mit seinem besten Freund Räuber und Gendarm gespielt hatte, war er im Garten seiner Eltern so ungünstig auf einen Terrassenstein gefallen, dass er seither beim täglichen Blick in den Spiegel an diesen Unglückstag erinnert wurde. Allerdings hatte dieses Missgeschick ihn keine Sekunde lang von seinem großen Traum, ein ‚echter Polizist’ zu werden, abgehalten. Im Gegenteil, es hatte ihn in seiner Überzeugung sogar noch bekräftigt. Schließlich verlieh die Narbe seinem gesamten äußeren Erscheinungsbild einen harten, maskulinen Zug, aufgrund dessen ihm viele Menschen in der Regel mit gesunder Ehrfurcht begegneten.
    „Zunächst sollte ich wohl erwähnen“, begann Nora jetzt zu berichten, „dass die Fremde nichts bei sich hat, das sie identifizieren könnte. Keine Brieftasche, kein Ausweis, kein Handy. Nichts.“
    Tommy war sich der bitteren Bedeutung dieser Nachricht bewusst. Solange sie nicht wussten, wer das Mädchen war, standen sie vor dem schier unlösbaren Problem, ihre Ermittlungen überhaupt in Gang bringen zu können. Bei derartigen Fällen bildete eine Vermisstenmeldung oft den einzigen Anhaltspunkt, auf den sie zählen konnten.
    Doch auch diesen Hoffnungsschimmer machte Nora umgehend zunichte: „Es liegt keine Vermisstenmeldung vor, die auf sie zutrifft. Ich habe mich bereits in der Direktion informiert. Möglicherweise bringt uns aber Professor Horns Entdeckung bei der Identifizierung voran.“ Sie deutete Thomas an, einen Schritt näher zu treten, um ihm die eingeritzten Initialen J. H. im Nacken des Opfers zu zeigen.
    Tommy hockte sich vor die Leiche und beäugte die Buchstaben. „Hm, das könnte uns tatsächlich weiterhelfen. Es könnte eine erste Spur sein.“ Er ließ etwas Luft durch seine Zähne entweichen und richtete sich wieder auf. Da er nur eins sechsundsiebzig klein war und Nora ihn um ganze zehn Zentimeter überragte, musste er seinen Blick stets nach oben richten, um ihr in die Augen sehen zu können. So auch in
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