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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
Autoren: Markus Kammer
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Sie nickte dem Spiegel zum Abschied zu, wie einem Freund oder einer Freundin, und verließ den Raum, um mit Nikodemia wieder auszubrechen. Den Nachmittag verbrachte sie mit Schlafen. Nikodemia hatte zwei zusätzliche Decken besorgt, damit sie nicht fror.
    „Du bist trotz allem nett“, murmelte sie, bevor sie einschlief. „Ich weiß das.“
    Was er für ein Gesicht machte und ob er noch antwortete, das bekam sie nicht mehr mit. Als sie wieder aufwachte, war er weg und im Zimmer war es stockdunkel. Im ersten Moment erschrak sie, da sie nicht wusste, wo sie war, und nicht sicher war, welcher Teil ihres Lebens geträumt war und was wirklich passiert war. Aber einige erschrockene Atemzüge später erkannte sie die Umrisse des Fensters und spürte die klamme Kälte des Zimmers. Sie war im Matrosenviertel in Brisa. Sie würden noch ein oder zwei Tage bleiben. So viel Zeit hatte sich Nikodemia ausgebeten, um sich zu verabschieden.
    „Was ist, wenn Carlos wiederkommt und du weg bist?“, hatte sie ihn gefragt.
    „Der findet uns schon. Er hat dich ja auch in Istland gefunden. Das eine oder andere sieht er voraus.“
    „Kommt es immer so, wie er es voraussieht?“
    „So, wie er es sieht, aber meistens ganz anders, als er denkt.“
    Elsa machte sich nicht die Mühe, nach Zündhölzern zu suchen. Im Dunkeln tastete sie nach der weichsten Decke, die auch am ansehnlichsten war, legte sie sich über den Kopf und die Schultern und verließ das Zimmer.

KAPITEL 26
     
    Wie schon in der letzten Nacht machte sie sich auf den Weg in die Mittelstadt. Es war früher als in der Nacht zuvor und es waren viel mehr Menschen unterwegs. Sie umrundete den Rathaus-See, spazierte durch die Gassen und schaute durch die großen Fenster ins Innere von Läden, die um diese Zeit noch geöffnet hatten. Hineinzugehen wagte sie nicht. Sie schlenderte an einem Kanal entlang, der von grünen Laternen gesäumt war, und ging sehnsüchtig an Ständen mit frisch gerösteten Brotas und süßem Schmalzgebäck vorüber. Sie war schon wieder schrecklich hungrig.
    Als wäre es schon eine lieb gewordene Gewohnheit stieg sie weiter bergan, um den kleinen Park mit dem Aussichtspunkt zu erreichen, in dem sie die letzte Nacht verbracht hatte. Kurz war sie versucht, in die Gasse einzubiegen, die zum Haus der Relings führte, doch dann besann sie sich eines Besseren. Ihre Bank im Park mit der besten Aussicht war belegt von einem Pärchen. Auch auf den anderen Bänken saßen Leute. Elsa wollte nicht zu genau von ihnen angesehen werden, daher setzte sie sich im Schatten der Bäume auf eine Mauer.
    An diesem Abend war die Nacht klar und am Himmel leuchteten vereinzelt die Sterne. Der Blick über die Stadt war ungleich faszinierender als in der Nacht zuvor, daher verwunderte es Elsa nicht, dass im Park so viel los war. Gerade kam schon wieder jemand die Treppe hoch, doch Elsa sah erst genauer hin, als die Person an allen Bänken vorbeiging und auf ihre dunkle Ecke zukam. Erst dachte sie, einer Sinnestäuschung zu erliegen, doch da er immer noch auf sie zuhielt und sie Anbars Gesichtszüge unter tausenden sofort wiedererkannt hätte, sprang sie von der Mauer und ging ihm entgegen. Ihre Decke fiel auf halbem Weg herunter, doch sie hatte sowieso nicht vor, sich zu verstecken. Als er sie fast erreicht hatte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Einerseits wollte sie jetzt über das ganze Gesicht strahlen wie ein Kind an seinem lang ersehnten Geburtstag, und andererseits rutschte ihr das Herz sonstwohin und alles Blut floss auf einmal rückwärts. Als er vor ihr stand, hob er seine Hand und streichelte ihr damit kurz über die Wange.
    „Die ist ja ganz kalt“, stellte er fest.
    „Anbar“, sagte sie und hörte, wie ihre Stimme fast versagte, „wo kommst du auf einmal her?“
    Er antwortete nicht, sondern ging an ihr vorbei, wieder tiefer in den Schatten unter den Bäumen. Dort hob er ihre Decke auf und reichte sie ihr.
    „Du weißt, dass du die ganze Zeit von den Möwen beobachtet wirst?“, fragte er.
    „Wirklich?“, fragte sie erschrocken.
    „Ja, gestern Nacht und heute Nacht.“
    „Hm.“
    „Aber mal abgesehen davon, dass du wie üblich alles falsch machst, bin ich sehr froh, dich zu sehen.“
    Es kam von Herzen. Elsa hatte ganz vergessen, was für eine schöne Stimme er hatte. In Gaiupers Ohren hatte sie fremd geklungen. Jetzt war sie vertraut und ging wie ein warmer Wind mitten durch sie hindurch.
    „Ich auch“, brachte sie hervor und strahlte wie eine
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