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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver
Autoren: Neal Stephenson
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Königlichen Münzanstalt beim Tower zu London prägt. Die einzigen Münzen in seinem Beutel sind spanische – die gleichen Münzen, wie sie in diesem Moment in Lima, Manila, Macao, Goa, Bandar Abbas, Mocha, Kairo, Smyrna, Malta, Madrid, den Kanarischen Inseln und Marseille von Hand zu Hand gehen.
    Der Mann, der Enoch vor Monaten zu den Docks von London begleitet hat, sagte: »Gold weiß Dinge, die kein Mensch weiß.«
    Enoch durchwühlt seine Börse, sodass die Münzfragmente durcheinander stieben, und hofft, ein Einzelstück zu erspähen – ein Achtel eines Stückes von Achten oder einen Achter, wie man sie nennt. Aber er weiß bereits, dass er seine Achter größtenteils für diesen und jenen Bedarf unterwegs ausgegeben hat. Das kleinste Stück, das er im Augenblick in seinem Beutel hat, ist eine halbe Münze – vier Achter.
    Er blickt die Straße entlang und sieht einen Steinwurf weit entfernt die Esse eines Grobschmieds. Der Schmied könnte ihm mit ein paar raschen Hammerschlägen Kleingeld schaffen.
    Der Ferge liest Enochs Gedanken. Er hat nicht in den Beutel hineinschauen können, aber er hat das wuchtige Klingen ganzer Münzen ohne das blecherne Geklirr von Achtern gehört. »Wir legen ab«, sagt er vergnügt.
    Enoch kommt zu sich, besinnt sich darauf, was er vorhat, und gibt dem anderen einen silbernen Halbkreis. »Aber der Junge kommt mit mir«, sagt er sehr bestimmt, »und Ihr nehmt ihn wieder mit zurück.«
    »Abgemacht«, sagt der Fährmann.
    Das ist mehr, als Ben sich erhoffen konnte, und dennoch hat er darauf gehofft. Zwar ist der Junge zu selbstbeherrscht, um es zuzugeben, aber diese Überfahrt bedeutet ihm so viel wie eine Fahrt in die Karibik, um im Spanischen Meer auf Piratenzug zu gehen. Er geht vom Landungssteg auf die Fähre, ohne die Laufplanke zu berühren.
    Charlestown liegt weniger als eine Meile entfernt auf der anderen Seite der Mündung eines trägen Flusses. Es besteht aus einem flachen grünen Hügel, gedeckt mit langen, schlanken Heuhaufen und eingefasst von Trockensteinmauern. An dem Boston zugewandten Hang, unterhalb der Hügelkuppe, aber oberhalb der endlosen Tidestreifen und mit Rohrkolben bewachsenen Sümpfe, hat sich eine Stadt gebildet: teils von Geometern angelegt, teils aber auch wie Efeu wuchernd.
    Die kräftigen Afrikaner des Fergen schreiten kurze, sich wiederholende Bögen auf Deck ab, während sie mit langen, auf Stiepern befestigten Rudern das schwarze Wasser des Charles Basin schaufeln und pflügen und Systeme von Wirbeln erzeugen, die, umeinander kreiselnd, nach achtern abfallen und schwindende, sich abflachende Kegelschnitte beschreiben, welche Sir Isaac wahrscheinlich im Kopf berechnen könnte. Die Hypothese der Wirbel ist vielerlei Schwierigkeiten ausgesetzt. Der Himmel ist ein verfilztes Netzwerk aus straffer Jute und mit dem Speichenhobel blank geschabten Baumstämmen. Der böige Wind lässt die vor Anker liegenden Schiffe hochschrecken und drängeln wie nervöse Pferde, die fernen Geschützdonner hören. Unregelmäßige Wellen lecken neugierig an den übereinander greifenden Planken ihrer Rümpfe, die von Barfüßigen wimmeln, die Pech und Werg in undichte Nähte streichen. Die Schiffe scheinen hierhin und dahin zu gleiten, während die Bewegung der Fähre mit der Parallaxe spielt. Enoch, der das Glück hat, größer als die meisten Fahrgäste zu sein, reicht Ben die Zügel, drängt sich unter Entschuldigungen zwischen den Mitfahrenden hindurch und versucht, die Schiffsnamen zu lesen.
    Das Schiff, nach dem er sucht, erkennt er jedoch schlicht an der unter dem Bugspriet befestigten, geschnitzten Frauengestalt: einer grauäugigen Dame mit goldenem Helm, die den Wellen des Nordatlantiks mit einem Schlangenschild und verständlicher Weise steifen Brustwarzen trotzt. Die Minerva hat noch nicht Anker gelichtet – ein Glück -, aber sie ist schwer beladen und macht ganz den Eindruck, als stünde sie unmittelbar vor dem Auslaufen. Männer schleppen Körbe mit Brotlaiben an Bord, die so frisch sind, dass sie noch dampfen. Enoch wendet sich wieder dem Ufer zu, um an einem mit Muscheln besetzten Pfahl den Gezeitenstand abzulesen, und dreht sich dann in die andere Richtung, um Mondphase und Mondhöhe festzustellen. Die Flut wird bald einsetzen, und die Minerva wird sie wahrscheinlich ausnützen wollen. Enoch erspäht schließlich van Hoek, der auf dem Vorderdeck steht und auf einem Fass irgendwelche Schreibarbeiten erledigt, und bringt ihn durch so etwas wie einen
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