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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver
Autoren: Neal Stephenson
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fürchterliche Sekte in ihren halkyonischen Tagen des Kathedralenplünderns und Königetötens ging.
    »Nein, es ist eine Gesellschaft von Philosophen«, sagt Enoch, ehe die Phantasien des Jungen noch wilder ins Kraut schießen.
    »Philosophen, Sir!«
    Enoch hatte vermutet, dass der Junge enttäuscht sein würde. Stattdessen ist er freudig erregt. Also hatte Enoch Recht: Der Junge ist gefährlich.
    » Natur philosophen. Wohlgemerkt nicht die andere Sorte -«
    »Unnatürliche?«
    »Eine durchaus passende Wortprägung. Mancher würde sagen, die unnatürlichen Philosophen sind daran schuld, dass die Protestanten in England gegen die Protestanten und überall sonst gegen die Katholiken kämpfen.«
    »Was ist denn ein Naturphilosoph?«
    »Einer, der zu verhindern sucht, dass seine Überlegungen in die Irre gehen, indem er sich an das hält, was sich beobachten lässt, und Dinge nach Möglichkeit mittels logischer Regeln beweist.« Das bringt ihn bei Ben nicht weiter. »Ähnlich wie ein Richter bei Gericht, der auf Fakten besteht und Gerüchte, Hörensagen und Appelle an das Gefühl verschmäht. Wie damals, als eure Richter sich schließlich nach Salem begaben und darauf hinwiesen, dass die Menschen dort dabei waren, verrückt zu werden.«
    Ben nickt. Gut. »Wie heißt Eure Vereinigung?«
    »Die Royal Society of London.«
    »Eines Tages werde ich dort Mitglied sein und dergleichen beurteilen können.«
    »Ich werde dich gleich nach meiner Rückkehr als Kandidaten vorschlagen, Ben.«
    »Gehört es zu Eurem Kodex, dass die Mitglieder sich bei Bedarf gegenseitig Pferde leihen müssen?«
    »Nein, aber es gibt eine Regel, dass sie Beiträge bezahlen müssen – die auch dringend gebraucht werden -, und dieser Mann hatte schon manches Jahr seine Beiträge nicht mehr bezahlt. Sir Isaac – er ist der Vorsitzende der Royal Society – sieht dergleichen mit Missfallen. Ich habe dem Herrn in New York erklärt, warum es von Nachteil ist, bei Sir Isaac in Verschiss zu kommen – um Vergebung -, und meine Argumente haben ihn so sehr überzeugt, dass er mir sein bestes Reitpferd geliehen hat, ohne dass ich ihm groß zureden musste.«
    »Es ist wunderschön«, sagt Ben und streichelt dem Tier die Nase. Der Hengst misstraute Ben zunächst, weil dieser klein und wuselig ist und nach Tierkadavern riecht. Mittlerweile hat er ihn als belebten Pfosten akzeptiert, der imstande ist, ein paar Handreichungen wie etwa Nasekraulen und Fliegenverscheuchen zu verrichten.
    Der Fährmann ist eher belustigt als verärgert, als er feststellt, dass ein Barker mit seinem Sklaven konspiriert, und scheucht ihn weg. Der Barker erkürt Enoch zu seinem nächsten Opfer und versucht, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Enoch entfernt sich von ihm und tut so, als betrachte er das näher kommende Ufer. Die Fähre manövriert gerade um ein Floß aus gewaltigen Baumstämmen herum, die, sämtlich mit dem Königlichen Pfeil gezeichnet, zur Mündung hinaustreiben – aus ihnen werden Schiffe für die Navy gebaut.
    Von Charlestown aus landeinwärts erstreckt sich ein lockeres Agglomerat kleiner Weiler, die durch ein Netz von Kuhpfaden miteinander verbunden sind. Deren breitester führt bis nach Newtowne, wo das Harvard College liegt. Doch größtenteils erblickt man einfach Wald, aus dem es raucht, ohne dass er brennt, und der von gedämpften Axt- und Hammerschlägen widerhallt. Gelegentlich dröhnen in der Ferne Musketenschüsse, deren Hall von Weiler zu Weiler weitergetragen wird – irgendein System zur Weitergabe von Mitteilungen über Land. Enoch fragt sich, wie er in alledem jemals Daniel finden soll.
    Er bewegt sich auf eine in lebhaftem Gespräch begriffene Gruppe zu, die sich in der Mitte des Decks gebildet hat und sich von den weniger Gelehrten (denn es muss sich um Harvard-Angehörige handeln) vor dem Wind schützen lässt. Es ist eine Mischung aus aufgeblasenen Trunkenbolden und Männern mit lebhaften Gesichtern und ungenierten Blicken, die ihre Sätze mit schlechtem Latein verknüpfen. Einige haben etwas verdrießlich Puritanisches an sich, während die Kleidung anderer sich eher der letztjährigen Londoner Mode annähert. Ein Mann von birnenförmiger Gestalt, mit roter Nase und hochgetürmter grauer Perücke scheint der Rektor dieses behelfsmäßigen College zu sein. Enoch fängt seinen Blick auf und lässt ihn erkennen, dass er einen Degen trägt. Das ist keine Drohung, sondern eine Demonstration seines Rangs.
    »Ein reisender Herr aus Übersee gesellt sich
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