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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver
Autoren: Neal Stephenson
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Willensakt aus der Ferne dazu, aufzublicken und ihn auf der Fähre zu bemerken.
    Van Hoek sieht zu ihm hin und erstarrt.
    Enoch lässt sich äußerlich nichts anmerken, starrt dem anderen aber so lange in die Augen, dass dieser erst gar keinen Gedanken daran verschwendet, auf eine rasche Abfahrt zu drängen.
    Ein Kolonist mit schwarzem Hut versucht, sich mit einem der Afrikaner anzufreunden, der nicht viel Englisch spricht – aber das ist kein Hindernis, da der Weiße sich ein paar Worte irgendeiner afrikanischen Sprache beigebracht hat. Der Sklave ist von sehr dunkler Hautfarbe, und das Wappen des Königs von Spanien ist ihm in die linke Schulter eingebrannt, also handelt es sich wahrscheinlich um einen Angolaner. Das Leben ist sehr seltsam mit ihm umgesprungen: von Afrikanern, die wilder sind als er, entführt, in einem Loch in Luanda angekettet, mit einem glühenden Eisen gezeichnet, um anzuzeigen, dass Zoll für ihn bezahlt worden ist, auf ein Schiff verfrachtet und an einen kalten Ort voller bleicher Menschen befördert. Nach alldem würde man meinen, dass ihn nichts mehr überraschen kann. Doch was immer der Barker ihm sagt, erstaunt ihn. Der Barker gestikuliert und redet sich ziemlich in Hitze, und das nicht nur, weil er sich nicht verständlich machen kann. Angenommen, er hat mit seinen Brüdern in London Fühlung gehabt (eine durchaus plausible Annahme), so sagt er dem Angolaner wahrscheinlich, er und alle anderen Sklaven hätten jedes Recht, zu den Waffen zu greifen und eine gewaltsame Erhebung ins Werk zu setzen.
    »Euer Pferd ist sehr schön. Habt Ihr es aus Europa mitgebracht?«
    »Nein, Ben. In New Amsterdam geborgt. In New York , wollte ich sagen.«
    »Warum seid Ihr denn nach New York gesegelt, wenn der Mann, den Ihr sucht, in Boston ist?«
    »Das nächste nach Amerika gehende Schiff im Pool von London fuhr nun einmal dorthin.«
    »Dann habt Ihr es also schrecklich eilig!« »Ich werde mich gleich schrecklich beeilen, dich über Bord zu werfen, wenn du weiter solche Schlüsse ziehst.«
    Das bringt Ben zum Schweigen, freilich nur so lange, wie er braucht, um Enochs Verteidigungsstellungen zu umgehen und ihm aus einer anderen Richtung zu Leibe zu rücken: »Der Besitzer dieses Pferdes muss ein sehr guter Freund von Euch sein, dass er Euch so ein Tier leiht.«
    Nun muss Enoch ein wenig auf der Hut sein. Der Besitzer des Pferdes ist ein vornehmer Herr in New York. Wenn Enoch auf seine Freundschaft Anspruch erhebt und die Dinge in Boston dann gründlich verpfuscht, könnte das dem Ruf dieses Herrn schaden. »Befreundet sind wir eigentlich nicht. Ich habe ihn erst kennen gelernt, als ich vor ein paar Tagen auf seiner Schwelle stand.«
    Die Sache ist Ben ein Rätsel. »Aber wieso hat er euch dann überhaupt eingelassen? So wie Ihr, mit Verlaub, ausseht, Sir, und dazu noch bewaffnet.Warum hat er Euch einen so wertvollen Hengst geliehen?«
    »Er hat mich eingelassen, weil ein Aufruhr im Gange war und ich Zuflucht erbat.« Nach einem flüchtigen Blick auf den Barker rückt Enoch näher an Ben heran. »Hier habe ich etwas zum Verwundern für dich: Als mein Schiff New York erreichte, bot sich uns das Spektakel, wie Tausende von Sklaven – einige Iren, der Rest Angolaner – mit Mistgabeln und Feuerbränden durch die Straßen liefen. Rotröcke setzten ihnen in überschlagender Formation nach und feuerten Salven. Der weiße Rauch ihrer Musketen stieg empor, vermischte sich mit dem schwarzen Rauch brennender Lagerhäuser und verwandelte den Himmel in einen lodernden, Funken stiebenden Schmelztiegel, wunderbar anzuschauen, aber, so vermuteten wir, dem Leben unzuträglich. Unser Lotse ließ uns vom Lande abstehen, bis die Gezeit ihn zum Handeln zwang. Wir legten an einer Pier an, die in der Gewalt der Rotröcke zu sein schien.«
    »Wie auch immer«, fährt Enoch fort – denn seine Rede zieht allmählich unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich – »so kam ich zur Tür hinein. Er lieh mir das Pferd, weil er und ich Mitglieder derselben Gesellschaft sind, und in gewisser Weise bin ich hier auf einem Botengang für diese Gesellschaft.«
    »Ist das so etwas wie eine Gesellschaft von Barkers?«, fragt Ben im Nähertreten flüsternd und wirft einen verstohlenen Blick auf den Mann, der den Sklaven zu bekehren sucht. Denn mittlerweile hat er Enochs diverse Pistolen und blanke Waffen bemerkt und ihn mit Geschichten in Verbindung gebracht, die seine Leute ihm wahrscheinlich erzählt haben, Geschichten, in denen es um jene
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