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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger
Autoren: Silvia Roth
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lange.«
    »Nicht zu ändern«, entgegnete Verhoeven mit brüchiger Selbstbeherrschung. »Sie bleiben, wo Sie sind, haben Sie mich verstanden? Das ist ein Befehl.«
    Doch Winnie Heller dachte überhaupt nicht daran, der Order ihres Vorgesetzten Folge zu leisten. Während sie in gebückter Haltung zur Glastür des Neubautreppenhauses spurtete, schlugen ihre Gedanken Purzelbäume. Ihre Verbeamtung. Offene Gehorsamsverweigerung. Der Überfall. Die bleierne Hilflosigkeit, die sie erst vor ein paar Tagen empfunden hatte. Blusenknöpfe, die irgendwo auf einem düsteren Parkplatz vor sich hin verrotteten und vermutlich bis in alle Ewigkeit vor sich hin verrotten würden. Ein Sündenbock. Eine untergeschobene Waffe. Und ein Mann, den sie vielleicht niemals erwischen würden, wenn er erst einmal mitgekriegt hatte, dass sie ihm auf den Fersen waren …
    »Winnie!«, plärrte Verhoevens Stimme aus dem Handy. »Bestätigen Sie!«
    Winnie Heller atmete tief durch. Dann drückte sie auf die Taste mit dem roten Hörer und huschte die fünfstufige Treppe zur Turnhalle hinauf. Hinter der Glastür schwebte ein intensiver Geruch nach Farbe und Mörtel. Nichtsdestotrotz hatte sie das Gefühl, auch noch etwas anderes wahrzunehmen. Eine zurück hängende Wärme. Die Duftmarke eines Menschen, der kurz vor ihr diesen Weg gegangen war. Sie zog sich wie eine unsichtbare Spur von der Tür zur Treppe und von dort weiter, ins Dunkel des Souterrains.
    Ins Dunkel?
    Winnie Heller stutzte. War da nicht ein Licht, das von dort zu ihr heraufdämmerte? Ein ferner Widerschein wie von einer Lampe? Sie hielt den Atem an, doch der vage Eindruck hatte sich bereits wieder verflüchtigt. Zurück blieb die Finsternis des Treppenschachts. Rutschfeste Steinstufen, die irgendwo im Nichts endeten.
    Sie gehen auf keinen Fall allein da rein, hämmerte Verhoevens Stimme hinter ihrer Stirn. Haben Sie verstanden? Das ist ein Befehl!
    Winnie Heller zog ihre Dienstwaffe aus dem Bund ihrer Jeans und lauschte in die Tiefe, während ihr Fuß die erste Stufe in Angriff nahm. Und noch eine. Und noch eine. Warum hat er nicht wenigstens die verdammte Notbeleuchtung eingeschaltet?, dachte sie. Wie konnte er sich orientieren in solcher Finsternis? Oder hatte er doch eine Lampe? Was war mit dem Widerschein, den sie gesehen hatte?
    Aber wenn er eine Lampe hatte …
    Sie biss sich von innen auf die Wange.
    Warum benutzte er sie nicht?
    In ihrem Kopf herrschte noch immer Chaos. Gedanken und Eindrücke stolperten wild durcheinander. Stimmen überlappten sich, Erinnerungen, Bilder. Das hier ist eine waschechte Sackgasse. Und wer immer Nikolas Hrubesch erschossen hat, muss von der Treppe gekommen sein. Von der Treppe … Winnie Hellers Finger schlossen sich fester um den Griff ihrer Waffe. Man kann nicht immer alles sofort haben, hörte sie Heinz Auerbach flüstern, als sie die letzte Stufe erreichte. Manche Dinge brauchen einfach Zeit. Zeit, die wir nicht haben. Vor ihr lag der Flur, blanke, ebene Steinfliesen. Türen. Das Summen eines fernen Generators. Verdammt noch mal, Heller, blaffte ein imaginärer Hinnrichs, eine Beamtin der Mordkommission hat immer erreichbar zu sein, haben Sie verstanden? Ich verlange von meinen Leuten grundsätzlich den maximalen Einsatz. Winnie Heller nahm die Waffe vor den Körper. Ist Ihnen übel? Sie fühlte ihren eigenen Herzschlag. Warum kommen Sie nicht erst mal rein, Kindchen? Fühlte ihn im Hals, in der Schläfe, sogar im Magen. Ein schweres, dumpfes Pochen. Und Sie sind sicher, dass Sie es ohne Hilfe bis nach Hause schaffen?
    Das Klicken, als sie ihre Waffe entsicherte, schien wie durch ein unsichtbares Mikrophon verstärkt. Das hat er gehört], fuhr es ihr durch den Sinn. Wenn er hier ist, muss er es gehört haben!
    Doch falls er da war, rührte er sich nicht.
    Wo ist er hin, verflucht?, dachte Winnie Heller. Wo zur Hölle kann dieser Scheißkerl so schnell hin sein?
    Sie blickte sich um und bemerkte, dass ihre Umgebung allmählich an Konturen gewann. Dass es ihren Augen gelang, selbst dieser undurchdringlichen Souterrain-Finsternis noch so etwas wie Bilder abzuringen. Mehr noch: Die Reduktion aller Reize schien sämtliche Sinne zu schärfen, und Winnie Heller registrierte auf einmal ein halbes Dutzend Details gleichzeitig. Türklinken, Trennwände, Duschköpfe. Winzige Erhebungen auf den Steinfliesen im Gang, Kaugummireste vielleicht. Oder Risse. Dazu Gerüche, so intensiv wie verschieden. Schweiß. Rost. Exkremente. Dazu etwas, das sie für
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