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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger
Autoren: Silvia Roth
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selbst: Sie waren nicht länger allein.
    Wo waren ihre Instinkte? Warum, verdammt noch mal, war sie nicht vorbereitet, schon wieder nicht?
    Herrgott noch mal, Mädchen, polterte Lübke in ihrem Kopf, kein Mensch ist jemals auf alle Eventualitäten vorbereitet!
    »Guten Abend.«
    Winnie Heller erstarrte, als sie etwas Metallisches an ihrem Hinterkopf fühlte.
    Wer immer Nikolas Hrubesch erschossen hat, muss von der Treppe gekommen sein. Vorausgesetzt, dieser Jemand war nicht bereits seit geraumer Zeit hier unten.
    Seit geraumer Zeit, echote etwas in ihr. Laurin ist längst hier gewesen. Lange vor uns …
    »Ich bedaure zutiefst, dass wir uns unter so unglücklichen Umständen wiedersehen.«
    Ja, dachte sie, du mich auch!
    »Aber wenn Sie jetzt vielleicht die Güte hätten, Ihre Waffe fallen zu lassen?«
    Winnie Heller sah das Entsetzen in Sven Strohtes Gesicht und wusste, dass es tatsächlich die Glock war, die sie in ihrem Nacken fühlte. Enttarnt, dachte sie. Eingerissen. Abgeblättert. »Warum sollte ich?«, fragte sie mit einem spöttischen Lachen.
    Sander Laurin lachte auch. Dasselbe warme Lachen, das Beate Soltau verzaubert hatte. »Weil es sonst nicht plausibel ist, fürchte ich.«
    »Was sollte denn plausibel sein?«, gab sie zurück, und ihr Ton war so barsch, dass sie sich vor sich selbst erschreckte.
    Doch Laurin schien gänzlich unbeeindruckt. »Der letzte Akt in dieser Posse«, antwortete er ruhig. »Svennie-Boy will seine Waffe holen, weil er befürchtet, dass sie sonst früher oder später gefunden wird und Sie wieder anfangen, Fragen zu stellen. Sie folgen ihm, aber leider, leider, leider ist Svennie schneller und legt Sie um, bevor ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation bewusst wird und er die Konsequenzen zieht.«
    »Sie reden genau, wie Hrubesch gedacht hat«, bemerkte Winnie Heller sarkastisch.
    »Tja«, entgegnete Laurin. »Menschenkenntnis ist wahrscheinlich auch eine Form von Kunst.«
    »Wenn man sonst nichts reißen kann«, entgegnete sie.
    Er lachte wieder, aber es klang nicht mehr ganz so echt wie zuvor, und Winnie Heller wünschte sich mit einem Mal brennend, dass sie sein Gesicht sehen könnte. Stattdessen blickte sie geradeaus, zu Sven Strohte, der schreckensstarr zwischen den Spinden stand. Da war irgendetwas, das ihr zu denken gab. Eine neuerliche Veränderung, die sie zunächst nicht näher einordnen konnte, doch dann erkannte sie, dass es Sven Strohtes Augen waren. Das glänzende Schwarz der Pupillen schien sich unter ihrem Blick auszudehnen, es quoll ihr förmlich entgegen, und dann, plötzlich, glomm auch etwas wie Farbe darin auf. Ein kühles, überaus intensives Grün.
    Er hat etwas vor!, schoss es ihr durch den Sinn, während sie beiläufig registrierte, dass auch Laurin in ihrem Rücken irritiert schien.
    »Du gehst da rüber«, peitschte seine Stimme an ihr vorbei. Ein scharfer, warmer Luftzug, der ihre Wange streifte und die alten Verletzungen schmerzen ließ. »Mach schon, dort drüben, an die Wand.«
    Sven Strohte reagierte nicht.
    »Sofort!«
    Winnie Heller merkte, wie das Metall aus ihrem Nacken verschwand, als Laurin die Waffe gegen den jungen Pianisten richtete, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Zugleich versuchte sie, seinen Körper hinter sich zu erspüren. Die Stelle, an der sie aufhörte und er anfing. Das ist meine letzte Chance, dachte sie. Wenn er Sven erst einmal dort hat, wo er ihn hinhaben will, ist alles aus!
    Nur ein Versuch.
    Nur diese eine Chance …
    Zu ihrer eigenen Überraschung verspürte sie keine Angst. Nicht einmal Aufregung. Im Gegenteil, sie hatte das Gefühl, ganz frei zu sein. Frei und stark. Sie holte tief Luft und rammte Sander Laurin mit voller Wucht den Ellenbogen in den Körper.
    Sie spürte Knochen und wusste, dass sie seinen Magen verfehlt hatte. Trotzdem trug ihr die Aktion ein paar wertvolle Sekunden ein. Indem sie ihre Dienstwaffe, die er vergessen zu haben schien, noch ein wenig fester packte, wirbelte sie herum und warf sich gegen die Wand, genau an der Stelle, wo der Lichtschalter sein musste.
    Sie nahm ein Blitzen wahr, als Laurin seine Glock herumriss. Neonlicht auf Metall.
    Dann war es von einer Sekunde auf die andere wieder stockfinster.
    Winnie Heller machte kehrt und hechtete auf die Spinde zu. Auf die einzige Deckung, die ihr zur Verfügung stand, wobei sie inständig hoffte, dass Sven Strohte klug genug gewesen war, ebenfalls Schutz zu suchen vor dem, was nun folgen würde. Sie hörte Laurin, der sich hinter ihr
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