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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger
Autoren: Silvia Roth
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eigentlich erstochen ? Warum hat er nicht die Glock benutzt, um den Kontext zu untermauern?«
    Ihr Herz schlug schneller, als ihr klar wurde, dass sie etwas Entscheidendes übersehen hatte. Was würde ich tun, wenn ich jemandem die Schuld für einen Mord in die Schuhe schieben wollte?, fuhr ihr durch den Sinn. Ich würde dafür sorgen, dass mein Sündenbock ein Motiv hat, gab sie sich selbst zur Antwort. Dann würde ich ihn an den Tatort bestellen und darauf hoffen, dass ihn dort jemand zu Gesicht bekommt. Und damit die Sache wasserdicht wird, würde ich meinem Sündenbock etwas unterschieben, das ihn so eindeutig belastet, dass er sich nicht mehr herausreden kann …
    »Und was ist das?«, rief sie, indem sie mit der rechten Hand energisch auf das Lenkrad einhieb. »Die Mordwaffe!«
    Unser Mann konnte schlecht mit einer halb automatischen Glock im Hosenbund in dieser Schule herumlaufen, oder ?, widersprach ihr ein imaginärer Verhoeven. Aber die Kollegen haben alles durchsucht. Da war keine Waffe.
    »Nichtsdestotrotz muss sie dort sein«, murmelte Winnie Heller, während die Aufregung über diese Entdeckung ihr fast den Atem nahm. »Es gibt keine andere Erklärung, die Sinn macht. Denn wenn Laurin die Glock zur Verfügung gehabt hätte, würde er sie auch benutzt haben, um Steven Höhmann zu erschießen und … Ach, verflucht!«, unterbrach sie sich erneut. »Da ist noch etwas, das ich nicht bedacht habe! Laurin ist ein gottverdammter Sicherheitsfanatiker. Da wird er doch wohl kaum riskieren, dass Sven Strohte uns seine Version der Geschichte erzählt, oder? Was, wenn wir ihm Glauben schenken?« Ihre Finger trommelten nervös auf das Lenkrad ein. »Aber was kann er tun, um das zu verhindern? Was, verdammt noch mal, sind die Optionen?«
    Laurin ist einer, der gern Huckepack fährt, schoss es ihr durch den Kopf. Und er hat auch durchschaut, was Hrubesch vorhatte. Und Hrubeschs Plan …
    Hrubeschs Plan endete mit Sven Strohtes angeblichem Selbstmord!
    Sie fuhr rechts ran und ließ sich abermals mit Bredeney verbinden.
    »Das kann man ja allmählich wirklich nur noch als Sehnsucht auslegen, dass Sie immer wieder anrufen«, spöttelte der altgediente Kollege, doch Winnie Heller unterbrach ihn gleich wieder.
    »Können Sie rauskriegen, ob die Spurensicherung die Schule schon wieder freigegeben hat?«
    »Wieso?«
    »Weil ich glaube, dass die Glock, die Laurin benutzt hat, noch immer dort ist. Und weil er sie holen wird, um Sven Strohte zu töten, falls er ihn vor uns findet«, antwortete Winnie Heller mit nur mühsam im Zaum gehaltener Ungeduld. »Schließlich wird er uns kaum weismachen wollen, dass der Junge Selbstmord begeht, indem er sich ein Jagdmesser in die Halsarterie rammt.«
    »Augenblick«, sagte Bredeney, dessen sprichwörtliche Ruhe einer fast körperlich spürbaren Anspannung gewichen war. Winnie Heller hörte ein unterdrücktes Murmeln, dann meldete er sich wieder zurück. »Winnie? … Die Gebäude sind wieder freigegeben. Und zwar seit heute Abend, acht Uhr. Es gibt eine Streife, die das Grundstück im Auge behält, um Schaulustige zu vertreiben, aber ansonsten ist da niemand mehr.«
    »Verflucht noch mal«, rief Winnie Heller. »Dann dürfen wir keine Zeit verlieren! Geben Sie Verhoeven Bescheid. Ich treffe ihn in der Schule.«
    »Sie können doch nicht …«, setzte Bredeney an, aber die Verbindung zu seiner jungen Kollegin war bereits unterbrochen.
    14
    Winnie Heller stellte ihren Polo auf dem Parkplatz hinter der Schule ab. Sie wählte eine Stelle im Schatten einer Hauswand, damit der Wagen nicht so leicht gesehen wurde. Dann stieg sie aus, nahm die kleine Taschenlampe aus dem Kofferraum, die ursprünglich zum Begrüßungs-Notfall-Set ihrer Autoversicherung gehört hatte, und schob sie zusammen mit ihrer Dienstwaffe in den Bund ihrer Jeans. Den Parka ließ sie im Wagen, weil sie fürchtete, dass er sie nur unnötig behindern würde. Sie trug ein dunkles Sweatshirt, und die Herbstkühle machte ihr im Angesicht eines stetig steigenden Adrenalinpegels ohnehin nicht viel aus.
    Vor dem Haupteingang der Schule, der verschlossen, aber, soweit sie sehen konnte, unbewacht war, lagen Blumen über Blumen. Einzelne Rosen, kleine Gebinde, Plastiknelken. Auf dem Bordstein klebten wächserne Reste der zahllosen Kerzen, die Angehörige und Anwohner in den vergangenen Tagen als Zeichen ihrer Trauer dort aufgestellt hatten. Nur ganz vereinzelt flackerte noch ein einsames Licht im abflauenden Westwind, dazwischen lagen
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