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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits
Autoren: Meg Cabot
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Nicht wird er ruhn, bis er dies Thier verbannt;
    Er wird es wieder in die Hölle senken,
    Von wo’s der erste Neid heraufgesandt.
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Erster Gesang
    A lles kann geschehen innerhalb eines Wimpernschlags. Absolut alles.
    Eins.
    Zwei.
    Drei.
    Jetzt.
    Ein Mädchen lacht mit seinen Freundinnen.
    Plötzlich reißt ein Krater die Erde auf, und heraus schießt ein Mann auf einem pechschwarzen Streitwagen, gebaut in den tiefsten Tiefen der Hölle, gezogen von Hengsten mit flammenden Augen und Hufen aus Stahl. Noch bevor irgendjemand das Mädchen warnen oder das arme Ding wegrennen kann, sind die Hufe schon über ihm.
    Das Mädchen lacht nicht mehr. Es schreit.
    Doch es ist zu spät. Der Mann beugt sich aus seinem Streitwagen, packt das Mädchen an den Hüften und zerrt es mit sich hinunter, zurück in den Krater.
    Das Leben des Mädchens wird nie wieder so sein, wie es vorher war.
    Trotzdem braucht man sich um sie keine Sorgen zu machen; sie ist nur eine Figur aus einem Buch. Ihr Name war Persephone, und mit der Geschichte, wie Hades, der Gott der Toten, sie in die Unterwelt entführt, erklärten die alten Griechen sich den Wechsel der Jahreszeiten. Heute nennt man so etwas einen Ursprungsmythos.
    Was mit mir passiert ist, ist allerdings kein Mythos.
    Wenn mir noch vor ein paar Tagen jemand eine Geschichte von einem Mädchen erzählt hätte, das jedes Jahr von einem Kerl für sechs Monate in seinen Unterweltpalast entführt wird, hätte ich nur gelacht.
    Du glaubst, Persephone hatte Probleme? Ich sage dir, wer Probleme hat: ich. Und zwar viel größere als sie. Vor allem nach dem, was vor ein paar Nächten auf dem Friedhof geschah. Was tatsächlich geschah, meine ich.
    Die Polizei glaubt natürlich, sie wüsste genau Bescheid. So wie alle in der Schule. Jeder auf der Insel scheint seine eigene Theorie darüber zu haben. Und genau das ist der Unterschied zwischen ihnen und mir: Sie haben Theorien, aber ich weiß , was passiert ist.
    Wen kümmert es schon, was Persephone widerfahren ist? Verglichen mit dem, was ich erlebt habe, ist das gar nichts. Tatsächlich hat Persephone sogar Glück gehabt. Ihre Mom ist nämlich gekommen und hat sie rausgeboxt.
    Um mich zu retten, kommt keiner. Also hör auf meinen Rat: Was auch immer du tust, blinzle nicht. Niemals.

Gleich wie im Herbste bei des Nordwinds Stoß
    Ein Blatt zum andern fällt, bis daß sie alle
    Der Baum erstattet hat dem Erdenschoß;
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Dritter Gesang
    E inmal bin ich schon gestorben.
    Niemand weiß genau, wie lange ich tot war. Meine Vitalfunktionen waren über eine Stunde lang gleich null. Glücklicherweise war mein Körper aber auch ziemlich stark unterkühlt, weshalb sie mich mit Hilfe eines Defibrillators und einer heftigen Dosis Adrenalin zurück ins Leben holen konnten, nachdem sie mich wieder aufgewärmt hatten. Das sagen zumindest die Ärzte. Meine Meinung, warum ich noch unter den Lebenden weile, ist da eine ganz andere. Aber ich habe gelernt, diese Meinung lieber für mich zu behalten.
    Hast du ein Licht gesehen?
    Das ist das Erste, was alle wissen wollen, sobald sie hören, dass ich tot war und wieder zurückgekommen bin. Es war auch das Erste, das mich mein siebzehnjähriger Cousin Alex heute Abend auf Moms Party fragte.
    »Hast du ein Licht gesehen?«
    Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da gab ihm sein Dad, mein Onkel Chris, auch schon einen Klaps auf den Hinterkopf.
    »Autsch«, meinte Alex und rieb sich die schmerzende Stelle. »Was ist denn so schlimm dran, wenn ich sie frage, ob sie ein Licht gesehen hat?«
    »Es ist unhöflich«, antwortete Onkel Chris nur kurz angebunden. »Sowas fragt man Leute nicht, die gestorben sind.«
    Ich nahm einen Schluck von meinem Glas Wasser. Mom hatte mich gar nicht gefragt, ob ich eine Willkommensparty will. Außerdem, was hätte ich schon sagen sollen? Sie war völlig aus dem Häuschen deswegen. Anscheinend hatte sie alle eingeladen, die sie von früher kannte, inklusive ihrer gesamten Familie, von denen keiner – außer Mom und ihr jüngerer Bruder Chris – jemals von der zwei mal vier Meilen großen Insel vor der Küste Südfloridas, auf der sie alle geboren waren, weggezogen war. Im Gegensatz zu Mom hatte Onkel Chris Isla Huesos allerdings nicht verlassen, um aufs College zu gehen, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
    »Aber das mit dem Unfall ist doch jetzt schon fast zwei Jahre her«, verteidigte sich Alex. »Sie wird doch kaum immer noch
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