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Quantum

Quantum

Titel: Quantum
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Glück nicht von Dauer sein.
    Eine Welle durchläuft den Vir-Raum, als gleich zwei weitere Gründer
unangemeldet eintreffen: Wellen religiösen Schreckens verbreiten sich durch die
niederen Gärtner-Gogols, sie werfen sich zwischen den wachsenden Maschinen zu
Boden. Ein trächtiges Kriegerhirn, eine aggressive Metallspinne von begrenzter
Giftigkeit entkommt, weil seine Wärter plötzlich abgelenkt werden, und
verwüstet ein vielversprechendes Beet mit Träumern, bis der Konstrukteur
schließlich eine von seinen Milliarden Händen ausstreckt und es beseitigt. Was für eine Verschwendung . Ohne darauf zu achten, welche
Schäden sie anrichten, steuern die beiden Fremden dem Zentralbereich des
Gartens zu. Der eine ist ein kleiner, bescheidener Chinese mit grauem Haar in
einer schlichten Mönchskutte. Matjek Chen, der mächtigste Gründer im ganzen
Sobornost, besitzt wenigstens so viel Anstand, hier nicht in seiner vollen
Gründerpräsenz aufzutreten.
    Der zweite Besucher, eine hochgewachsene Frau in einem weißen
Sommerkleid, hält einen zierlichen Sonnenschirm in der Hand, der ihr Gesicht
verbirgt …
    Der Konstrukteur hat es mit einem Mal sehr eilig. Rasch umschließt
er die Gäste mit einem subvirtuellen Medium – keine geringe Leistung, wenn man
bedenkt, dass sie mit ihrer Gründermacht solche Illusionen mühelos in Fetzen
reißen könnten – und schickt den Primarius hinunter, um sie zu begrüßen.
    Der Garten wird zu einem echten Garten mit blühenden Kirschbäumen.
Ein steinerner Springbrunnen im fjodorowistischen Stil plätschert vor sich hin,
mittendrin steht ein Heroenstandbild, ein Mann und eine Frau, die einen Pokal
in die Höhe halten. Niedere Gogols sorgen für Erfrischungen, während der
Primarius den Besuchern entgegengeht.
    »Willkommen«, sagt er und streicht sich den Bart – eine Geste, die
er für hoheitsvoll hält. Er verneigt sich leicht vor den beiden. Chen nickt ihm
kaum merklich zu. Der Konstrukteur versucht, den Rang dieses Gogols
abzuschätzen: sicherlich nicht der Primarius, aber er besitzt genug von der
Gründer-Aura, um eine enorme Ausstrahlung zu haben.
    Die Frau klappt ihren Sonnenschirm zu und lächelt. Um ihren
Schwanenhals blitzen Diamanten. »Hallo, Sasha«, sagt sie.
    Er rückt ihr einen Stuhl zurecht. »Joséphine.«
    Sie lässt sich nieder, schlägt elegant die Beine übereinander und
stützt sich leicht auf ihren Sonnenschirm. »Dein Garten ist wirklich
wunderschön, Sasha«, lobt sie. »Kein Wunder, dass du dich nicht mehr bei uns
blicken lässt. Wenn ich in einem solchen Paradies lebte, würde ich nie mehr
wegwollen.«
    »Manchmal ist man in Versuchung«, bemerkt Chen, »die Realitäten der
großen, weiten Welt zu ignorieren. Leider können wir uns diesen Luxus nicht
alle erlauben.«
    Der Konstrukteur schenkt dem alten Gründer ein schmales Lächeln.
»Was ich hier tue, ist zum Wohl des ganzen Sobornost und dient der Großen
Gemeinsamen Aufgabe.«
    »Natürlich.« Chen nickt. »Und niemand ist dafür besser geeignet als
du. Und genau deshalb sind wir hier.« Er setzt sich an den Rand des
Springbrunnens und hält die Hand ins Wasser. »Findest du das alles nicht ein
wenig übertrieben?« Der Konstrukteur erinnert sich, dass Chens eigene Realms
eher abstrakt sind, spartanisch, mit minimaler Physik und gerade so vielen
Einzelheiten ausgestattet, um den Abgründen des Unheimlichen zu entgehen.
    »Ach, Matjek, ich bitte dich«, unterbricht Joséphine. »Wie kann man
nur so ein Griesgram sein? Es ist so schön hier. Und siehst du nicht, dass
Sasha zu tun hat? Er streicht sich immer den Bart, wenn er es nicht erwarten
kann, an seine Arbeit zurückzukehren, er ist nur zu höflich, um es offen
auszusprechen.«
    »Für seine Arbeit hat er Gogols in Hülle und Fülle«, gibt Chen
zurück. »Aber meinetwegen.« Er faltet die Hände und beugt sich über den Tisch.
    »Bruder, wir haben ein kleines Problem mit einer deiner Schöpfungen:
Das Dilemma-Gefängnis wurde aufgebrochen.«
    »Unmöglich.«
    »Sieh selbst.«
    Der Vir-Raum erzittert, als Chen dem Konstrukteur eine Erinnerung
schickt: Für einen Moment sieht er den Gründer-Gogol so, wie er wirklich ist,
als Stimme von Billionen von Chens, die sich über all die endlosen Gubernja s, Oblaste und Raions des Sobornost verteilen, eher
eine Gliedmaße als eine Person. Dann hält er einen erstarrten Gogol in der
Hand, den er sofort als sein eigenes Werk erkennt, ein kleines Experiment mit
Spielen und Zwangsvorstellungen, das er fast
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