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Quantum

Quantum

Titel: Quantum
Autoren: Hannu Rajaniemi
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den
Schweiger-Massen entgegen.
    Das Zoku-Mädchen schneidet mich los. Der Detektiv rennt bereits
hinter der Katze her, und ich renne hinter ihm her. Das Tier ist nicht länger
in Sicht, und ich stürme Hals über Kopf in die Richtung, in die es meiner
Meinung nach verschwunden ist, vorbei an weiteren Erinnerungsautomaten, die
stumme Tänze aufführen.
    Ich entdecke es auf einer kleinen Galerie: Es steht auf einem
einbeinigen Tisch aus dunklem Holz – ein schlichtes schwarzes Kästchen, das
auch einen Ehering enthalten könnte. Die Schrödingerkiste. Sie ist noch genauso
verlockend wie vor zwanzig Jahren, als ich dahinterkam, dass die Zoku-Kolonie
sie hatte. Ich kann nicht widerstehen. Vorsichtig betrete ich die Galerie und
schnappe sie mir. Ich rechne mit einer Falle, aber nichts geschieht. Ich kralle
meine Finger um das Ding und kehre in den Korridor zurück.
    Der Detektiv und das Zoku-Mädchen kommen zurückgelaufen.
    »Es tut mir leid«, bedauert der Detektiv. »Sie ist uns entwischt.«
    »Ist es das, was ihr sucht?«, fragt Jean le Roi. Er sieht jetzt
anders aus, jünger, mir viel ähnlicher. Sein Gesicht ist faltenlos, sein Haar
schwarz, und er hat einen Bleistiftschnurrbart. Er trägt eine schwarze
Krawatte, weiße Handschuhe und einen Umhang um die Schultern, als schickte er
sich an, die ganze Nacht um die Häuser zu ziehen. In der Hand hält er einen
Spazierstock. Eine Wolke von Zoku-Steinen in verschiedenen Grün- und Blautönen
umschwebt blitzend seinen Kopf. Aber das höhnische Grinsen ist immer noch das
alte.
    Er hält einen Ring in die Höhe, ein silbernes Band mit einem blauen
Stein. »Keine Sorge, den braucht ihr nicht mehr.« Er bewegt die Hand wie ein
Zauberkünstler, und der Ring verschwindet in einer Wolke aus Blitzpulver. »Ihr
könnt alle hierbleiben als meine Gäste.« Er streift imaginären Staub von seinem
Revers. »Ich glaube, ich habe einen passenden Körper gefunden. Höchste Zeit,
Zank und Streit hinter sich zu lassen.«
    Das Zoku-Mädchen stößt einen gellenden Schrei aus, und bevor ich es
verhindern kann, holt sie mit ihrem Schwert weit aus und schlägt damit nach le
Roi. Er dreht, schneller, als das Auge zu folgen vermag, den Knauf seines
Spazierstocks. Eine blitzende Klinge fährt heraus. Er pariert ihren Hieb, geht
in die Knie und macht einen Ausfallschritt. Die Spitze des Stockdegens erblüht
wie eine tödlich scharfe Blume aus ihrem Rücken. Er zieht die Klinge mit einer
einzigen fließenden Bewegung heraus. Das Mädchen fällt auf die Knie. Der
Detektiv springt an ihre Seite und richtet sie auf. Aber ich sehe, dass es
bereits zu spät ist.
    Ihr Schwert ist zu Boden gefallen. Le Roi stupst es mit seinem Degen
an. »Hübsches Spielzeug«, sagt er. »Aber ich habe viel schönere Sachen.« Er
scheint den Detektiv zum ersten Mal wahrzunehmen. Seine Augen werden groß.
    »Du gehörst nicht hierher«, sagt er leise. »Was willst du hier?«
    Der Detektiv starrt ihn an. Die Tränen laufen ihm über die Wangen,
aber in seinen Augen steht flammender Zorn. »M. le Roi«, sagt er mit fester
Stimme. »Ich bin hier, um Sie für Ihre Verbrechen gegen die Oubliette in Haft
zu nehmen, und ich befehle Ihnen im Namen der Revolution, mir unverzüglich
Ihren Schlüssel zum Exospeicher auszuhändigen!«
    »Nein, nein.« Le Roi kniet neben dem Jungen nieder. »Du hast das
ganz falsch verstanden. Ich dachte, du wärst eine Erinnerung, die er auf mich
gehetzt hat. Ich wollte nicht, dass das geschieht.« Sein Blick wandert zu dem
Mädchen. »Wir können sie zurückholen, wenn du willst. Und was meinen Schlüssel
angeht – hier ist er.« Er lässt seinen Stock fallen, kramt in seiner Tasche und
drückt dem Detektiv etwas in die Hand. »Da. Jetzt hast du ihn. Nimm ihn. Ich
schicke dich zurück. Es ist nicht mehr als recht und billig, dass der Prinz das
Königreich erbt.«
    Der Detektiv ohrfeigt ihn. Le Roi springt auf, greift nach seinem
Stockdegen und richtet ihn auf den Jungen. Dann schüttelt er den Kopf. »Genug.«
Eine Geste mit der Waffe, und der Detektiv verschwindet in einem Lichtblitz.
    »Du machst alle deine Spielsachen kaputt«, sage ich und halte das
Schwert aus dem Realm-Raum in die Höhe. »Willst du dich auch mit mir anlegen?«
    Das Schwert spricht zu mir und zeigt mir die Strukturen, die allem
um uns herum zugrunde liegen. Es ist ein eigenes kleines Realm, eine virtuelle
Welt, die als Schnittstelle für die Picotech-Maschine dient, in der wir uns
befinden. Ich bin eine Softwareeinheit, die
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