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Quantum

Quantum

Titel: Quantum
Autoren: Hannu Rajaniemi
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nachdem der Zoku Pixil zurückgeholt hat,
verabschiede ich mich von Isidore – dem Detektiv – in seiner Küche.
    »Sie ist jetzt anders«, sagt er. »Ich weiß nicht, wieso, aber sie
ist anders.«
    Wir sitzen am Küchentisch, und ich vermeide es, die düsteren,
schmutzig braunen Tapeten anzusehen.
    »Manchmal«, sage ich, »genügen schon ein paar Augenblicke, um ein
anderer zu werden. Manchmal dauert es Jahrhunderte.« Ich versuche, das grüne
Wesen abzuschütteln, das über den Tisch zu mir gewandert ist. Es scheint mich
als seinen natürlichen Feind zu betrachten und knabbert immer wieder an meinem
Ärmel. »Aber du solltest dir natürlich nicht unbedingt zu Herzen nehmen, was
ich sage. Schon gar nicht, wenn es um Frauen geht.«
    Ich sehe ihn an: Hakennase, hohe Backenknochen. Die Ähnlichkeit ist
da, besonders um den Mund, das Kinn und die Augen. Ich frage mich, was Raymonde
und le Roi dem Zufall überlassen hätten. Hoffentlich hat er mehr von ihr
mitbekommen als von mir.
    »Auch du hast dich sehr verändert«, fahre ich fort. »Isidore
Beautrelet. Kryptarch der Oubliette. Vielleicht wäre König ein besseres Wort. Was hast du als Nächstes vor?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt er. »Ich kann nicht alle Entscheidungen
treffen. Ich muss dem Volk die STIMME zurückgeben. Es muss doch möglich sein, für diese Institution einen besseren
Weg zu finden. Ich will sie auflösen, sobald ich kann. Und ich muss mir darüber
klar werden, ob … ob ich allen die Erinnerung daran lassen soll, woher die
Oubliette ursprünglich stammt.«
    »Eine Revolution ist immer ein schöner Traum«, sage ich. »Und du
hast soeben einen echten Umsturz erlebt. Was immer du tust, nimm dich in Acht.
Der Sobornost wird dich gnadenlos verfolgen. Der Zoku wird dir jetzt beistehen,
nehme ich an, aber es wird nicht einfach werden.« Ich lächle. »Aber es wird
auch spannend sein. Großartig und verwirrend. Wie eine Oper, wie mir einmal
jemand gesagt hat.«
    Er schaut aus dem Fenster. Die Stadt hat sich noch nicht wieder ganz
erholt: Die Aussicht ist ohne Zweifel eine andere als zuvor. Und das Gefängnis
ist von hier aus zu sehen, eine Diamantnadel über den Dächern des Labyrinths.
    »Und was hast du vor?«, fragt er. »Wirst du losziehen und ein …
Verbrechen begehen?«
    »Das ist so gut wie sicher. Ich fürchte, ich habe meine Schulden
immer noch nicht beglichen.« Ich grinse. »Du kannst mich gerne fangen, wenn es
dir gelingt. Aber ich glaube, du wirst zu beschäftigt sein.« Das grüne Wesen
versucht jetzt, auf meinen Schoß zu gelangen. Ich werfe ihm einen drohenden
Blick zu. »Dieses Problem scheint hier allerdings nicht jeder zu haben.«
    Ich stehe auf. »Ich gehe jetzt besser. Mieli hat schon seit einigen
Tagen nichts mehr getötet, und dann ist sie immer schlechter Laune.«
    Ich schüttle ihm die Hand. »Ich bin nicht dein Vater«, sage ich,
»aber du bist ein besserer Mann als ich. Sieh zu, dass es so bleibt. Aber wenn
dich der andere Weg jemals locken sollte, lass es mich wissen.«
    Zu meiner Überraschung umarmt er mich fest.
    »Nein, danke«, sagt er. »Man sieht sich.«
    Können wir schon aufbrechen? , fragt
Perhonen. Müssen wir nicht auf ihn warten?
    Das Schiff steht auf dem ummauerten Weg der Stadt nahe am schwer
beschädigten, schwarz verrußten Schweiger-Wall. Mieli ist in einem Quicksuit
draußen, um sich ihre innere Unruhe von der Seele zu laufen. Die Reliefs am
Wall, Landschaften und reihenweise leere Gesichter, erinnern sie an Oort. Wenn
sie sie berührt, hört sie im Geist, dass ihnen ein leises Lied eingeritzt wurde.
    »Hallo«, sagt Raymonde. Sie tritt als Gentleman auf, aber ohne
Maske, und anstelle eines Anzugs umgibt sie ein schwacher Foglet-Schein. Beim
Anblick der Reliefs geht ein Ausdruck der Trauer und des Schuldbewusstseins
über ihr Gesicht.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragt Mieli.
    »Mir ist nur eingefallen, dass ich noch jemanden besuchen muss.«
Raymonde schaut zu Perhonen auf. »Was für ein schönes
Schiff.«
    Danke, sagt Perhonen . Aber ich bin nicht nur ein hübsches Lärvchen .
Raymonde verbeugt sich vor ihr. »Auch dir schulden wir Dank«, sagt sie. »Du
warst nicht verpflichtet, uns zu helfen.«
    Du kannst es nicht sehen , sagt das Schiff,
und seine Saphirschale leuchtet auf, aber ich werde ganz
rot.
    Raymonde sieht sich um. »Er ist noch nicht da? Das wundert mich
nicht.« Sie küsst Mieli auf beide Wangen. »Viel Glück und gute Reise. Und
danke.« Sie hält inne. »Als du dein Gevulot geöffnet
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