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Quantum

Quantum

Titel: Quantum
Autoren: Hannu Rajaniemi
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hast, konnten wir deine
Gedanken sehen. Nun weiß ich, warum du das alles tust. Ich wünsche dir, dass du
sie findest.«
    »Das ist keine Frage des Wünschens«, sagt Mieli, »sondern des
Wollens.«
    »Gute Antwort«, lobt Raymonde. »Und – sei nicht zu streng mit ihm.
Ich meine – du sollst schon streng sein, aber nicht zu streng. Er kann nicht aus seiner Haut. Aber er könnte auch noch schlimmer sein.«
    »Geht es um mich?« Der Dieb tritt aus einer Zoku-Transportblase.
»Ich wusste doch, dass ihr hinter meinem Rücken über mich herziehen würdet.«
    »Ich warte im Schiff«, sagt Mieli. »Wir starten in fünf Minuten.«
    Am Ende weiß ich nicht, was ich zu ihr sagen soll. So stehen wir
schweigend im roten Sand. Ringsum tanzen die Schatten der Stadt, flatternde
Schwingen aus Licht und Dunkelheit.
    Nach einer Weile küsse ich ihr die Hand. Wenn sie Tränen in den
Augen hat, sind sie in den Schatten verborgen. Sie küsst mich leicht auf den
Mund. Als ich zum Schiff gehe, sieht sie mir nach. Ich drehe mich um und winke,
und als sich die Schiffshülle öffnet, werfe ich ihr eine Kusshand zu.
    Im Schiffsinneren angekommen, nehme ich das Kästchen in die Hand.
    »Willst du das Ding jetzt aufmachen oder nicht?«, fragt Mieli. »Ich
wüsste gerne, wohin die Reise geht.«
    Ich weiß das bereits.
    »Zur Erde«, sage ich. »Aber könntest du Perhonen bitten, sich Zeit zu lassen? Ich möchte die Aussicht genießen.«
    Zu meinem Erstaunen legt sie keinen Widerspruch ein. Perhonen steigt langsam auf und fliegt eine Runde über der
Wandernden Stadt, über der Ader der Beständigen Allee, der grünen Fläche des
Schildkrötenparks, den Origami-Schlössern des Staubviertels. Die Stadt hat
jetzt ein anderes Gesicht, aber ich lächle ihr dennoch zu. Sie marschiert
weiter, ohne mich zu beachten.
    Wir sind schon auf halbem Weg zum Highway, bevor ich merke, dass mir
der Detektiv meine UHR gestohlen hat.

0   Intermezzo:
    Der Jäger
    Es ist Frühling in der Fabrik, und der Seelenkonstrukteur
ist glücklich.
    Sein virtueller Gubernja -Raum ist ein
riesiger Maschinengarten, der in voller Blüte steht. Die Samen, die er während
des langen Dysonwinters pflanzte, als sich die Gubernja verlangsamte, um ihre Abwärme zu entsorgen, haben ausgetrieben, und jetzt
herrscht überall Vielfalt und nochmals Vielfalt.
    Seine Gogols umschwärmen ihn wie ein Schwarm weißer Vögel, als er in
die Tiefen des Gartens vordringt: Dazu taucht er eine Milliarde Händepaare in
schwarze Erde, wo jeder Krümel ein Zahnrad ist, das perfekt in seinen Nachbarn
greift, und befühlt die Keime der neu gezüchteten Bewusstseine, die kurz vor
dem Erblühen stehen. Sein Primarius ist überall, hier dirigiert er persönlich
das Beschneiden eines memetischen Baumes, dort überwacht er eine Schar von
genetischen Algorithmen, die durch einen Verzweigungsprozess in einen neuen
Parameterraum vordringen.
    Unendlich behutsam zieht der Ingenieur den frisch erblühten
Schössling eines neu geschaffenen Gogols aus der Erde. Er hat eine seltene
Störung, die ihm vorgaukelt, sein Körper bestünde aus Glas und würde leicht
brechen. Der Ingenieur wähnte diesen Defekt schon seit Jahrhunderten
ausgemerzt. Nun wird daraus in Kombination mit einer ganz besonderen
Schizophrenie ein Bewusstsein entstehen, das sich nach Belieben spalten und
rekombinieren und dabei Erinnerungen integrieren kann: Matjeks Kriegerhirne
werden davon begeistert sein. Er spaltet einen Gogol für die profaneren
Arbeiten ab, lässt den Primarius mit wehendem weißem Labormantel zum Himmel
emporschießen und betrachtet abermals das große Ganze. Ja, das Beet dort
verspricht eine reiche Drachensprecher-Ernte. In jenem riesigen Labyrinth
wachsen bereits zielstrebige Verfolger heran: Bald werden sie reif sein und
Parameterräume erkunden, die größer sind als Welten – werden als mathematische
Ameisen das riesige Gödel-Universum nach unbewiesenen Theoremen durchkämmen.
    Der Konstrukteur hat den Eindruck, dass er noch nie so glücklich
war: Eine Schnellsuche in seiner Gogol-Bibliothek liefert die Bestätigung. Er
ist zufriedener als je ein Konstrukteur vor ihm und so zufrieden wie noch nie
seit seinen ersten Tagen als Student an der Universität von Minsk – allerdings
gibt es einen Moment in Gesellschaft einer ganz besonderen Person, der diesem
Zustand nahekommt. Allein das rechtfertigt bereits, einen Gogol abzuspalten und
ihn, in der Zeit erstarrt, in seiner Bibliothek aufzubewahren.
    Natürlich kann dieses
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