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Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Titel: Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
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von der Reling
der Enchantress und dem Anblick der untergehenden Sonne ab. Er war zu
gereizt und rastlos, um das beeindruckende Schauspiel zu genießen.
    Sein Freund und erster Maat, Tom
Cochran, erschien hinter ihm. »Setzen wir heute abend Segel, Captain?« Cochran
war von robustem Körperbau, und sein verwittertes Gesicht bedeckte ein
grauweißer Stoppelbart. »Ich könnte mir vorstellen, daß Khalif uns irgendwann
heute nacht erwarten wird.«
    Patrick nickte abwesend. Khalif, der
Sultan von Riz, war in England mit ihm zur Schule gegangen und ein guter Freund
von ihm. Aber heute vermochte die Vorstellung, zu Gast in Khalifs luxuriösem
Palast zu sein, Patrick nicht zu reizen. »Ja«, antwortete er knapp. »Laß Segel
setzen.«
    Dann begab er sich unter Deck und in
seine Kabine, einem nicht sehr großen Raum, der mit einem Bett, einem Schrank,
Schreibtisch, zwei Stühlen und Bücherregalen ausgestattet war. Ohne Licht zu
machen, ließ Patrick sich seufzend auf einen der Stühle sinken.
    Er hörte die Rufe der Mannschaft an
Deck, doch seine Gedanken kreisten um die junge Frau, die heute aus dem Souk entführt worden war. Was beunruhigte ihn nur so daran? So traurig es sein
mochte, war es doch nichts Besonderes in diesem Teil der Welt, daß Mädchen und
Frauen entführt wurden. Es geschah fast täglich, und die meisten dieser armen
Wesen tauchten nie wieder auf.
    Patricks Nacken verkrampfte sich,
ein schmerzhaftes Pochen begann in seinen Schläfen. Fluchend schleuderte er ein
Buch an die Kajütenwand.
    Da klopfte es an der Tür.
    »Herein«, rief Patrick grollend.
    Es war Cochran, der Patricks
Abendessen brachte.
    »Mach Licht«, sagte der alte Seemann
trocken. »Es ist höllisch dunkel hier.«
    Wortlos zündete Patrick eine
Petroleumlampe an. Seine Miene verriet seinen Ärger über die Störung.
    »Ich möchte wissen, welcher Roh dich
heute gebissen hat«, bemerkte Cochran. »Hast du die kleine Tänzerin, hinter der
du her bist, seit wir Anker warfen, nicht im Souk gefunden?«
    Ein Anfall von Scham, für den er
keinen Anlaß sah, erfaßte Patrick. Denn schließlich war er nicht verheiratet
und betrog damit auch niemanden, wenn er eine Tänzerin in ihr Zelt begleitete
und ihre weiblichen Aufmerksamkeiten genoß.
    »Doch, sie war da«, murmelte er mit
einem mürrischen Blick auf sein Abendessen. Lammgulasch, Schwarzbrot und dünner
schwarzer Tee — schon wieder.
    Cochran lachte und lehnte sich mit
verschränkten Armen an die Tür. »Sag bloß, sie hat dich abgewiesen!«
    Patrick würdigte dieser Bemerkung
keine Antwort, maß Cochran nur mit einem bösem Blick und begann zu essen.
    Cochran grinste. »Entschuldigung.
Ich hatte wohl für einen Moment vergessen, daß es keine Frau gibt, die Patrick
Trevarren je abgewiesen hätte. Aber wenn es nicht das Tanzmädchen ist, was
dann? Warum bist du heute so gereizt?«
    Patrick schob das Tablett beiseite.
»Wir leben in einer erbarmungslosen Welt«, stellte er mit düsterer Miene fest.
    Sein erster Maat gab sich
überrascht. »Eine schockierende Einsicht, Patrick«, entgegnete er spöttisch.
»Und dabei dachte ich, wie wären auf Rosen gebettet und lebten unter Engeln!«
    Cochran war im Gegensatz zu den
anderen Mitgliedern der Mannschaft ein gebildeter Mann, und obwohl er nicht
gern über seine Vergangenheit sprach, wußte Patrick, daß sein Freund Lehrer an
einem Jungengymnasium in New York gewesen war, bevor er auf seinem Schiff
angeheuert hatte.
    Während Patrick seine verkrampften
Nackenmuskeln massierte, erzählte er Cochran von der Entführung.
    »Du kannst nicht alle retten,
Patrick«, meinte Cochran, als der junge Kapitän seinen Bericht beendet hatte.
»Viele dieser jungen Mädchen leben wie Fürstinnen. Wenn sie hübsch sind, haben
sie eigene Diener, schöne Kleider und jeden erdenklichen Luxus.«
    Patrick biß sich auf die Lippen, und
Cochran, der es sah, legte ihm die Hand auf die Schulter. »War sie hübsch?«
    »Ja«, erwiderte Patrick schroff.
    »Dann wird sie keinen Mangel
leiden«, meinte der alte Seemann, bevor er die Tür öffnete und hinausging.
    Patrick legte die Füße auf den
Schreibtisch und lehnte sich zurück. Seine Kopfschmerzen wurden immer
schlimmer, und selbst mit geschlossenen Augen glaubte er, jene goldbraunen
Augen zu sehen, die auf dem Marktplatz zu ihm aufgeschaut hatten.
    Im nächsten Augenblick kehrte die
Erinnerung zurück. Er und sein Onkel hatten mit der Enchantress im fernen
Seattle vor Anker gelegen, 1866 oder 67, um die Waren
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