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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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sich wieder auf. Das waren Tagträume. Er redete sich ein, dass Rhonda noch etwas für ihn empfand, dass es nur verschüttet lag unter den Scherben ihres eigenen Verrats. Er übertrug sein eigenes Verlangen auf eine Rhonda, die nur in seinem Kopf existierte.
    Das Rauschen verschluckte nun seine Schritte. Der Korridor wurde immer niedriger, verwandelte sich zuletzt in einen Kriechgang. Stockfinster war es, und Santino schob sich mit flauem Gefühl im Magen voran. Da vorn ging es weiter, er spürte einen Luftzug auf seinem Gesicht. Doch was, wenn der Durchschlupf so schmal wurde, dass er sich nicht hindurchzwängen konnte? Auf Händen und Füßen kroch er weiter. Fels schabte ihm über den Kopf und über die nackten Schultern. Für ein paar Herzschläge hielt er inne, um Kraft zu schöpfen.
    Hier war es längst nicht mehr so warm wie in den tiefer gelegenen Höhlen. Aus dem Gestein sickerte ihm eine feuchte Kühle in die Haut. Er fröstelte, aber es war besser als die mit Rauschdämpfen vermengte Gluthitze, der er mit knapper Not entkommen war.
    Nach ein paar Windungen kehrte das Licht zurück, ein Streifen Dämmerschein, der die Pocken und Schrunden des Felsgangs aus der Schwärze hob. Das Rauschen hatte sich in ohrenbetäubenden Donner verwandelt. Der steinerne Schlauch weitete sich zu einem Trichter, der über eine Schutthalde zu einem ausgedehnten, unterirdischen See hin abfiel. Am anderen Ende, nur zu erahnen im dämmrigen Zwielicht, stürzten die Wassermassen in die Tiefe.
    In der Mitte des Sees ragte eine steinerne Plattform auf, gekrönt von einem Bogen. Santino war sich fast sicher, dass im Innern ein Portal hing, aber eins, das vermutlich so alt war, dass es sich nicht ohne Weiteres wieder zum Leben erwecken ließ. Vor allem nicht von einem wie ihm, dem das Torformen noch schlechter von der Hand ging als die Heilmagie, und das wollte etwas heißen. Außerdem hatte er mit der Verbrennung der Akelei-Höhlen seine magischen Reserven nicht nur restlos erschöpft, sondern bis zur Selbstzerstörung überlastet. Es würde Wochen dauern, bis er wieder ins Gewebe greifen konnte, ohne sich Schmerzen zuzufügen. Ganz davon zu schweigen, dass er den Schlüssel nicht kannte.
    Er bückte sich und fuhr mit beiden Händen durchs Wasser. Es war eisig kalt. Er richtete sich wieder auf, breitete die Arme aus und watete hinein. Nach wenigen Schritten schon stand er bis zu den Hüften in der nachtschwarzen Flut, dann bis zur Brust. Die Kälte biss ihm in die Haut, aber erfrischte auch seine Lebensgeister und betäubte die schmerzenden Stellen, wo die Säure der Akeleien ihn getroffen hatte. Er stieß sich vom Boden ab und begann zu schwimmen. Mit langen, gleichmäßigen Stößen hielt er auf die Plattform zu. Dort klammerte er sich für ein paar Sekunden fest, bevor er auf die Kante zuglitt, die den Scheitel des Wasserfalls markierte. Es war verrückt, sich dort hinunterspülen zu lassen. Weder wusste er, wie tief es hinabging, noch, was sich am unteren Ende befand. Gut möglich, dass es scharfkantige Klippen waren, an denen er sich das Genick zerschmettern konnte. Die Strömung packte seinen Körper. Er ließ es geschehen. Was sollte er sonst tun? Es gab keinen anderen Weg nach draußen.
    Und dann zog der Sog ihn über den Zenit.
    Das Toben des Wassers betäubte seine Sinne. Weiße Dunstvorhänge umtosten ihn und brodelten und brachen das Licht. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, doch konnte sich selbst nicht hören. Er stürzte, er fiel, der Magen stieg ihm in die Kehle. Er glaubte, eine kühle Membran zu durchbrechen. Es wurde gleißend hell, dann dunkel.
    Dann wieder hell.
    Überraschend weich schlug er auf. Benommen blieb er liegen, Sekunden, Minuten, unfähig, sich zu regen. Als es ihm endlich gelang, den Kopf zu heben, bemerkte er, dass Grashalme sich von seiner Wange lösten. Wasser tropfte ihm aus den Haaren. Er lag auf einer Wiese. Mit einem Keuchen wälzte er sich herum.
    Sein Blick glitt über sorgfältig gestutzte Blumenhecken und eine Pergola, die sich durchbog unter der Last der Rosenblüten. Ein Kiesweg leuchtete weiß im samtigen Grün. Auf der anderen Seite erhob sich ein Hügel, golden im Sonnenuntergang. In blumengeschmückten Nischen standen Statuen aus wasserreinem Kristall, ganz ohne Trübung oder Schlieren.
    Faszinierend.
    Er war durch ein offenes Tor gefallen, das im Wasserfall hing, und es führte direkt in den oberirdischen Teil der Glasgärten.
    Er verfolgte den Gedanken nicht länger, sondern
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