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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Autoren: Doris Cramer
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eine andere Wahl. Schließlich hatten sie außer dieser merkwürdigen spanischen Verwandtschaft keine Angehörigen mehr.
    Mirijam schlug die Hände vors Gesicht. Sie konnte weiterhin versuchen, sich mit allen möglichen Überlegungen abzulenken, der eigentliche Schrecken würde dadurch jedoch nicht vergehen. Der Tod stand vor der Tür! Was immer für sie und Lucia auch vorgesehen war, wo immer man sie beide auch hinschickte, bei aller Ungewissheit war doch eines sicher: Sie lebten und sahen einer Zukunft entgegen. Der arme Vater indessen …
    Kaum hatten die Mädchen den Raum verlassen, ballte van de Meulen die Fäuste, er hustete und keuchte und krümmte sich vor Schmerzen. Der vergangene nasskalte Sommer hatte ihm schwer zugesetzt, mehr als manch ein Winter, und er hatte immer wieder den Arzt rufen lassen müssen. Seit Wochen kam dieser nun täglich und untersuchte die Beschaffenheit von Urin und Blut. Er verbrachte viel Zeit am Bett des Kranken, hielt auch Rat mit seinen Kollegen und fertigte die verschiedensten Arzneien für ihn an. Doch weder warme Umschläge mit Kampfer, Kräutern oder zerstoßenen Samen noch Tinkturen, Tees oder Salben hatten bis jetzt geholfen. Ebenso wenig hatten Aderlasse gefruchtet oder die Messen, die van de Meulen lesen ließ. Seine Pein wurde von Tag zu Tag eher größer. Seit einigen Tagen nun hustete er Blut. Er wusste, dass keine Heilung mehr zu erwarten war und sein Ende nahte. In der vergangenen Nacht hatte er viele Stunden gebetet, und jetzt fügte er sich in sein Schicksal, wie es einem guten Christenmenschen anstand. Allerdings gab es noch wichtige Dinge zu regeln, vor allem, was mit seinen Töchtern geschehen sollte.
    Wohl zum hundertsten Male ging der Kaufmann im Geiste die bisher gefassten Entschlüsse durch. Er war der Letzte seines Hauses, und da die Mädchen nach seinem Tod hierzulande keine Verwandtschaft mehr hatten, musste er sie entweder in ein Kloster einkaufen, in das Haus von Freunden geben oder aber nach Andalusien senden.
    In ein Kloster könnte allerdings nur Lucia allein eintreten, denn Mirijam hatte er niemals taufen lassen. Einerseits hatte ihn der tiefe Respekt vor ihrer früh verstorbenen Mutter und deren altehrwürdiger Religion daran gehindert. Andererseits aber wusste er nur zu gut um die unsichere gesellschaftliche Stellung von Konvertiten, die auch in Antwerpen niemals als wahre Christen angesehen wurden.
    Dann waren da die Freunde. Bei ehrlicher Betrachtung musste er sich jedoch fragen: Hatte er überhaupt Freunde, echte Freunde? Natürlich war er viel herumgekommen im Leben, und natürlich kannte er eine Menge Kaufherren, Kommissionäre und Bankiers, nicht nur hier in der Antwerpener Kaufmannscompanie. Aber befand sich unter ihnen einer, der geeignet wäre, sich seiner Töchter anzunehmen? War unter ihnen auch nur einer, der nicht hauptsächlich nach dem verlockenden Erbe der Mädchen schielen würde? Nein, dachte er zum wiederholten Male, letztlich würde dieses Erbe wohl bei jedem den Ausschlag geben.
    Mirijam und Lucia konnten aber keinesfalls allein bleiben, sie mussten zu den Verwandten nach Spanien, es blieb kein anderer Ausweg. Dabei war es nicht einmal gesichert, dass sein Vetter einer Hochzeit zwischen Lucia und seinem Sohn zustimmen würde. Die Verhandlungen liefen zwar seit einiger Zeit, und es waren mehrere Briefe gewechselt worden, allerdings war man noch zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen. Natürlich spielten dabei Erbteil und Höhe der Mitgift eine zentrale Rolle. Auch die geschäftliche Beziehung ihrer beider Kontore war von Bedeutung, Vetter Juan wünschte schon länger eine Zusammenlegung beider Häuser.
    Wie dem auch sei, dachte er müde, und welche Maßnahmen oder Konstellationen man sich sonst noch hätte ausdenken können, um den Fortbestand des Handelshauses zu sichern, ihm blieb keine Zeit mehr. Er konnte nichts weiter tun, als auf Juan de Molinas Ehre, auf sein Pflichtgefühl und den Familienzusammenhalt zu vertrauen.
    Die schweren Vorhänge seines Lagers im Alkoven waren weit geöffnet, damit er leichter Luft bekam. Helle Bienenwachskerzen brannten im Raum, da ihm die billigeren Talglichter Übelkeit bereiteten. Sie beleuchteten die geschnitzte Holzvertäfelung, einige Truhen, lederbespannte Sessel und den schweren Arbeitstisch, auf dem seine aufgeschlagene Bibel lag. Er ließ seinen Blick über Regale voll ziselierter Silberkannen, venezianischer Gläser und italienischer Majolika-Teller wandern. Die bleigefassten
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