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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Autoren: Doris Cramer
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Zusammensetzung dieser Pillen auswendig, zu der man Tropfen aus Mohnkapseln, Weihrauch und Wolfskraut mit Kräutern aus der Wüste und gemahlener Muskatnuss aufkochen musste. Danach zog alles vierzig Tage in Wein, bevor man die Flüssigkeit in die Sonne stellte, bis sie verflogen und nur noch eine breiige Masse übrig war, aus der man kleine Kugeln drehen konnte. Sie besaßen immer einen ausreichenden Vorrat dieser Arznei, die in getrocknetem Zustand lange wirksam blieb.
    Es half ihr, sich die Rezeptur in Erinnerung zu rufen und damit die Gewissheit, dass sie keineswegs unfähig war. Im Gegenteil, im Laufe der Jahre hatte ihr Abu sie gründlich unterrichtet und so viel seines Wissens an sie weitergegeben, dass sie selbst eine gute Heilerin geworden war. Sie verdankte ihm viel, genau genommen alles. Wo wäre sie, wenn er sie nicht auf dem Sklavenmarkt entdeckt und zu sich genommen hätte? Man hätte sie misshandelt, getreten und geschlagen und am Schluss irgendwo im Sand der Wüste verscharrt.
    Von draußen ertönten plötzlich Trommelschläge, dumpfe, dunkle, rhythmisch pulsierende Schläge, die Azîza erzittern ließen.
    Der Alte nickte zufrieden. » Sîdi Bilals gnaoua- Musiker werden uns begleiten und helfen, die bösen Dschinn zu vertreiben. Alles wird gut, mit Allahs Hilfe.«
    Er hatte eine lila bestellt? Für diese Zeremonie also wurden in der Küche Milch und Datteln, die heiligen Speisen, sowie einige Hühnchen vorbereitet. Den schwarzen Musikern, die in der Tradition des verehrten Mystikers Sîdi Bilal ihre Musik zur Heilung von Kranken einsetzten, wurden magische Kräfte nachgesagt. Familien, die sich um eine kranke oder verwirrte Person sorgten, baten sie in ihr Haus, um sich betend in eine heilende Trance zu tanzen. Schon setzte die Laute ein, dann ertönten Kastagnetten und Tamburine.
    Der Hakim zog seine Arztkiste zu sich heran. » Bismillah, im Namen Gottes«, murmelte er, als er aus einem weißen Baumwolltuch ein schmales, frisch geschliffenes spitzes Instrument wickelte und in Azîzas Hände legte. » Dieses Messer wurde im Feuer gehärtet und gereinigt, es ist ein gutes Werkzeug. Rufe nun unsere Helfer herein. Und fürchte dich nicht, mein liebes Kind.« Er streichelte ihr über die Finger. » Ich werde dich leiten, du aber wirst meine Hand sein.«
    Ruhig gab der alte Heiler den beiden Helfern, die sich ein wenig bang im Raum umsahen, seine Anweisungen. » Halte meinen Kopf gut fest«, trug er dem schwarzen Hünen auf, der gemeinsam mit der Dienerin näher trat. » Die Operation dauert lediglich wenige Minuten. Es wird nicht wehtun, aber ich darf meinen Kopf keinesfalls bewegen.«
    Der Diener blickte ängstlich in die Runde. Ihm war keine Arbeit zu schwer, aber was nun von ihm verlangt wurde, beunruhigte ihn. Umständlich wischte er sich die Hände an seiner weiten, hemdartigen gandourah ab, bevor er nickte.
    » Stell dich hinter mich, leg deine Hand an meine Stirn, und press meinen Hinterkopf fest an deine Brust. Genau so, das machst du gut. Und du«, fuhr Abu Alî an die Frau gewandt fort, » wirst für das Licht verantwortlich sein, es soll direkt auf die Augen fallen. Entzünde gleich jetzt die Lampen. Von Zeit zu Zeit musst du außerdem Tränen fortwischen. Nimm dazu jenes saubere Tuch dort.« Er hatte alles genau vorbereitet. Nun schwieg er und schaute Azîza an.
    Äußerlich hatte die junge Frau ihre Ruhe inzwischen wiedergefunden. Sie holte ein Tischchen herbei und legte reine Tücher und den glänzenden Starstecher bereit. Auf einem zweiten Tisch warteten frische Weidenrinde und schmale Streifen von Kürbisschalen neben dem Verbandmaterial.
    Im Garten begann die tabal zu dröhnen, erst langsam, dann immer drängender, bis die große Trommel in einen steten Rhythmus fiel. Die dunklen Schläge vibrierten in Azîzas Körpermitte. Andere, hellere Trommeln setzten ein, Tamburine kamen hinzu und nahmen den Takt auf, ebenso die klatschenden Hände der Menschen im Garten. Die Musik wurde drängender. In die anschwellenden und wieder abflauenden Trommelwirbel mischten sich Flötentöne und Gesänge mit halblaut gemurmelten Beschwörungen und Gebeten. Azîzas Gedanken ordneten sich, ihr Atem wurde ruhig, und die Monotonie der Musik verlangsamte ihren Herzschlag. Sie hob den Kopf. Sie war bereit.
    Alî el-Mansour sprach die erste Sure des Korans: » Bismillah, Lob sei Allah, dem Weltenherrn, dem Erbarmer, dem Barmherzigen, dem König am Tag des Gerichts: Dir dienen wir, und zu Dir rufen wir um Hilfe.
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