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Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
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noch in der Karibik oder bereits in Deutschland war. Dazu benötigte er die Telefonnummer der Tauchschule, die konnte er im Internet recherchieren. Sollte sie es sich anders überlegt haben und in den nächsten Tagen tatsächlich nicht nach Deutschland kommen, würde er sich in ein Flugzeug setzen und zu ihr fliegen - auch auf die Gefahr hin, seinen Vater vollends zu erzürnen. Aber er hatte seine Traumfrau nicht getroffen, um sie im selben Augenblick wieder zu verlieren.
    Sein Jagdinstinkt war geweckt, und an Rückzug war nicht mehr zu denken.
    Zuerst einmal musste er sicherstellen, dass heute wirklich nur eine einzige Maschine aus der Dominikanischen Republik in München landete. Frau Meierhöfers Schwägerin hatte sich vielleicht geirrt. Im Sturmschritt lief er zu der riesigen Anzeigentafel und überflog hastig die zur Landung angezeigten Flüge. Aus der Dominikanischen Republik war kein zweiter dabei.
    Dann las er alles noch einmal, das Ergebnis aber blieb das gleiche. Allerdings waren nur die Flüge bis zwanzig Uhr angeschrieben.
    Deshalb ging er zum nächsten Info-Stand und bat um Auskunft. Die Frau hinter dem Schalter warf einen Blick
auf ihren Monitor und verneinte. Es gab keine zweite Maschine.
    »Die Fluggäste aus der Karibik fliegen oft über Miami«, erklärte sie hilfsbereit und fügte hinzu: »Das ist meist billiger, und die Verbindungen sind besser.«
    Er starrte sie ungläubig an, während sein Herz wie verrückt zu schlagen begann. Sofort schöpfte er neue Hoffnung.
    »Wann landet die nächste Maschine?«, rief er aufgeregt.
    Die Frau schaute nach. »Sie ist bereits gelandet. Vor zwanzig Minuten. Ausgang E, ganz hinten.«
    Sie hatte es kaum ausgesprochen, da rannte er auch schon los. Er rannte, als ginge es um sein Leben. Auf einmal war er sich sicher, dass er Lisa heute noch treffen würde. Das sagte ihm sein Gefühl. Er hatte Ausgang E noch nicht ganz erreicht, da sah er sie bereits aus der Tür kommen.
    »Lisa«, schrie er über den Gang, so laut, dass sich alle Leute nach ihm umdrehten. Aber das war ihm egal. Er rief ihren Namen gleich ein zweites Mal, diesmal noch viel lauter. Als er endlich vor ihr stand, keuchte er atemlos: »Hallo, Lisa.«
    Sie wirkte überrascht und schien sehr irritiert zu sein, denn sie hatte wohl nicht mit ihm gerechnet. Er hatte sie überrumpelt. Diese Strategie führte meist schnell zum Erfolg - so jedenfalls hatte er das im Managerseminar gelernt.
    »Hattest du einen guten Flug?« Er strahlte sie an und freute sich über ihren verwirrten Gesichtsausdruck.

    Sie trug Jeans, einen schwarzen Wollpullover mit einem großen Rollkragen, der ihr halbes Kinn verdeckte, und eine kurze, schwarze Jacke. Über ihrer Schulter hing eine kleine Reisetasche.
    »Brauchst du vielleicht ein Taxi?«, fragte er augenzwinkernd.
    Sie antwortete nicht, die Überraschung hatte ihr die Sprache verschlagen. Als sie nach einer Weile immer noch nichts sagte, wurde er unruhig.
    Leise fügte er hinzu: »Ich bin das einzige Taxi, das noch frei ist.«
    Nun lächelte sie und sagte: »Ein Taxi wäre gut.«
    Daraufhin nahm er ihre Tasche und ging mit ihr zu seinem Wagen. Währenddessen warf er unauffällig einen Blick gen Himmel und dachte: Na bitte, geht doch! Manchmal musste man das Glück eben zwingen.

    Der Schneeregen klatschte gegen die Windschutzscheibe, als Michael den Wagen durch das typische Freitagnachmittags-Verkehrschaos lenkte.
    »Hattest du einen guten Flug?«, wandte er sich an Lisa, obwohl er ihr die Frage bereits bei ihrer Ankunft gestellt hatte. Aber ihm fiel nichts Besseres ein. Lisa war ziemlich wortkarg. Es wollte einfach keine Unterhaltung zustande kommen.
    Um überhaupt etwas zu sagen, fragte er nach einer Weile: »Warst du wieder mal tauchen?«
    Sie schmunzelte.
    Tolle Frage, dachte er ärgerlich. Natürlich war sie tauchen gewesen, das war schließlich ihr Job.

    »In der Bucht von Samaná sind jetzt unzählig viele Buckelwale«, sagte sie auf einmal. »Sie kommen jedes Jahr, um sich zu paaren und ihre Jungen dort zur Welt zu bringen.«
    »Aha.« Er atmete auf, weil es endlich ein Gesprächsthema gab, auch wenn er nichts über Buckelwale wusste.
    »Woher kommen die Wale?«, fragte er interessiert.
    »Aus den arktischen Gewässern«, erzählte Lisa. »Von Grönland oder Island. Das Wasser dort ist zu kalt für ihren Nachwuchs. Die Walbabys würden nach der Geburt erfrieren, weil sie nur eine sehr dünne Haut haben, die ihren Körper nicht ausreichend schützt. Deshalb nehmen die
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