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Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
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Danach ließ sie seine Hand los und ging, ohne sich noch ein einziges Mal umzudrehen.
    Hilflos stand Michael im Regen und sah ihr nach. Er war unfähig, etwas zu tun. Was auch? Nichts ergab mehr einen Sinn, sie würde nicht bleiben. Er hatte sie für immer verloren.

EPILOG
    Sieben Monate später betrat Michael mit pochendem Herzen das Büro der Tauchschule Dive in . Lisa saß hinter dem L-förmigen Schreibtisch und arbeitete am Computer. Sie sah ihn an, als wäre er ein Geist.
    »Guten Tag«, sagte er höflich wie ein Fremder. »Mein Name ist Michael Westphal, und ich möchte - eventuell - einen Tauchkurs bei Ihnen belegen.«
    Im ersten Moment schien sie sehr verwirrt, doch dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, und sie fragte: »Haben Sie denn schon einmal einen Tauchkurs absolviert?«
    »O ja«, rief er und winkte ab. »Fast ertrunken wäre ich dabei, wenn meine Tauchlehrerin mir nicht das Leben gerettet hätte.«
    »Das mit dem Tauchen ist wirklich nicht ganz ungefährlich«, erwiderte sie und fügte augenzwinkernd hinzu: »Aber bei uns dürfen Sie sicher sein, dass Ihnen nichts passiert.«
    »Darauf lege ich auch besonderen Wert«, sagte er. »Außerdem wäre es mir sehr wichtig, zu meiner Tauchlehrerin ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Nach meinen
bisherigen Taucherlebnissen haben Sie dafür bestimmt Verständnis.«
    »Vollkommen«, bestätigte Lisa mit ernster Miene.
    »Was halten Sie also davon, mit mir essen zu gehen?«, fragte Michael.
    »Für einen neuen Tauchschüler tue ich alles«, antwortete sie resolut.
    »Sehr schön.« Er strahlte sie an. »Hier am Strand soll es ein gutes Fischlokal geben. Ich habe gehört, man bekommt dort den besten Fisch der ganzen Insel.«
    »Und nicht nur das«, entgegnete Lisa. »In diesem Lokal gibt es die besten Cocktails und auch die beste karibische Musik. Es gehört übrigens meiner Tante Margerita.«
    »Ach«, rief er verblüfft.
    Sie unterdrückte ein Lächeln und kam um den Schreibtisch herum. Durch den hauchdünnen Stoff ihres geblümten kurzen Kleides konnte Michael die Konturen ihres Körpers erkennen, was es ihm vollkommen unmöglich machte, den Blick von ihr zu lösen. Dabei stellte er fest, dass sie noch viel schöner war, als er sie in Erinnerung hatte. Sie war die schönste Frau der Welt. Wie hatte er es nur zweihundertzehn Tage ohne sie ausgehalten?
    »Wollen wir gehen?«, fragte sie und griff nach ihrer Tasche, als Michael plötzlich das Quanga bemerkte, das von der Lampe herunterhing.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Das?« Sie betrachtete die Palmenblätteracht. »Ein Quanga, eine Art Glücksbringer. Eine Voodoo-Priesterin hat es angefertigt, als sie einen Liebeszauber aussprach.«

    »Stimmt es, dass zwei Menschen sich danach für immer lieben?«, wollte Michael wissen.
    »Ja«, sagte Lisa.
    »Egal, was passiert?«, fragte er skeptisch.
    »Egal, was passiert«, antwortete sie. »Im Voodoo heißt es, dass nichts und niemand die Wirkung eines Quanga außer Kraft setzen kann.«
    »Auch keine bösen Dämonen?« Fragend blickte er sie an und fügte hinzu: »Mir hat einmal jemand erzählt, dass die Dämonen stärker seien als die Liebe.«
    »Nicht immer«, erwiderte sie mit einem wissenden Lächeln. »Manchmal werden sie durch den Liebeszauber verjagt. So jedenfalls heißt es im Voodoo.«
    Sie verließen die Tauchschule und schlenderten am Meer entlang. Ein glutroter Sonnenball tauchte gerade in den Horizont ein, die Wellen schwappten leise an den Strand, und das warme Wasser umspülte ihre nackten Füße. Vorsichtig griff Michael nach Lisas Hand. Ganz zart berührten sich ihre Finger, nur flüchtig und beinah zufällig, doch diese Berührung war wie ein Versprechen. Er glaubte jetzt, dass nichts verloren war und ihre Liebe eine neue Chance bekam. In jedem Ende lag immer auch ein neuer Anfang, weil das Leben dem Lauf der Sonne glich, die unterging, um auf der anderen Seite der Welt wieder aufzugehen.
    Als Michael die Klänge der Gitarren und Steeldrums und die heißen Rhythmen der karibischen Musik hörte, die Julio mit seinen Freunden spielte, als er die bunten Lampions sah, die den Strand erleuchteten, und ihm der Duft von gegrilltem Fisch in die Nase strömte, wusste er,
dass Margeritas Lokal nicht mehr weit war. Kaum war er mit Lisa dort eingetroffen, wurde er überschwänglich in Empfang genommen. Margerita küsste und herzte ihn wie einen Sohn, und auch Flavio kam sofort angelaufen, während Julio von der improvisierten Bühne aus seinen
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