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Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
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standen Profit und Umsatz bei ihm an erster Stelle, weshalb die Westphal-Pharmazeutika auch in finanzielle Bedrängnis geriet. Doch es hätte andere Wege gegeben, sie zu retten, als den, den sein Vater gewählt hatte.
    Der Weg ins Labor glich einem Spießrutenlauf. Während die Polizeibeamten die Büros durchsuchten, standen die Mitarbeiter mit erschrockenen Gesichtern im Gang und straften ihn mit bösen Blicken.
    Am schlimmsten aber war es im Labor, dort wurde alles buchstäblich auf den Kopf gestellt. Sämtliche Aktenordner der letzten Jahre türmten sich auf den Schreibtischen, die Mitarbeiter wurden befragt, Computer abgebaut, Arbeitstische durchwühlt - und inmitten dieses Durcheinanders stand, an der Seite des Kommissars, Martin Schuster. Er war in einem erbärmlichen Zustand, unrasiert, mit fettigen Haaren und schmutziger Kleidung.
    »Herr Schuster wurde seit Tagen in einem der Kellerräume gefangen gehalten«, berichtete Hauptkommissar Zenner.
    Michael war schockiert. »Gefangen gehalten? Aber wieso denn?«

    »Weil ich zu viel wusste«, rief Martin Schuster aufgeregt. Er zitterte wie Espenlaub und war weiß wie eine Kalkwand, doch es sprudelte nur so aus ihm heraus: »In dieser Firma gab es so viele Unregelmäßigkeiten, dass ich irgendwann zu recherchieren begann. Erst dachte ich, sie manipulieren nur die Medikamententests, um die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Aber es ist alles noch viel schlimmer, Herr Westphal. Ihr Vater ist ein Krimineller. Wenn die Medikamente in die Produktion gehen, lässt er die Rezepturen ändern und die Konzentration der Wirkstoffe drastisch verringern, manchmal sogar komplett entfernen. Dann liefern wir nur noch reine Placebos. Stellen Sie sich das einmal vor! Das ist doch unglaublich, nicht wahr?«
    »Ich weiß«, murmelte Michael betreten.
    »Wenn wir Glück haben, kann ich das alles auch beweisen«, rief Martin Schuster, während er zu seinem Arbeitstisch lief. Er zog die unterste Schublade des Computerschränkchens auf und nahm die Nabucco -CD heraus.
    »Ich wusste, dass Monika sie dorthin legen würde«, sagte er, strahlte den Kommissar an und überreichte ihm die CD. »Darauf finden Sie alles, was Sie brauchen, um Rudolf Westphal zu überführen. Beinahe wäre sie verloren gewesen, weil Harry mich in der besagten Nacht, in der ich die letzten Daten kopierte, im Labor erwischt hat. Aber da war dieser Einbrecher, so ein Typ mit schwarzer Maske, und der war meine Rettung, denn als Harry hereinkam und sah, was ich machte, stieß dieser Typ die Glasflaschen aus dem Regal und stürmte an Harry vorbei. Und nur weil der ihm nachlief, konnte ich die CD
in die Nabucco -Box stecken und dieser Monika auf den Schreibtisch legen. Zwar schaffte ich es nicht mehr zu fliehen, aber wenigstens wurde die CD gerettet.«
    Michael kam sich vor wie in einem Hollywoodfilm und spielte darin, zu allem Übel, nun eine Hauptrolle.
    Das alles war schlichtweg unbegreiflich. Aber noch viel unbegreiflicher war die Tatsache, dass er von diesen Vorgängen, die sich unmittelbar vor seinen Augen abspielten, nicht das Geringste bemerkt hatte. War er blind gewesen? Oder hatte er wirklich einfach nur weggeschaut?
    Sein Handy klingelte, und im Display erschien die Nummer seines Elternhauses.
    Seine Mutter war dran. Sie schluchzte und weinte und bat Michael, zur Villa zu kommen.
    Fragend wandte er sich an den Kommissar.
    »Gehen Sie ruhig«, sagte der. »Wir kommen hier auch ohne Sie zurecht und werden sicherlich noch ein paar Stunden beschäftigt sein.«

    Als Michael zu Hause eintraf, war auch dort überall die Polizei. Allerdings durchsuchten sie nicht die Villa und beschlagnahmten auch keine Aktenordner und Computer. Zu seinem großen Erstaunen war das Haus vollkommen leer, weil die Polizisten sowie Hauptkommissar Ahrend, sein Vater und Harry unten am Bootshaus standen; sein Vater unter einem schwarzen Schirm mit weißem MediCare-Aufdruck, denn die tief hängenden, grauen Wolken versprühten noch immer hässlichen Nieselregen. Der Himmel schien gewusst zu haben, was dies für ein
trüber Tag werden würde, und hatte angemessen darauf reagiert.
    Durch das feuchte Gras lief Michael hinunter zum Bootshaus. Er hatte weder einen Schirm, noch trug er eine Regenjacke, und wurde deshalb ganz nass. Doch das war ihm gleichgültig. Er spürte die Nässe nicht einmal.
    Ohne seinen Vater eines Blickes zu würdigen, ging er an ihm vorbei. Am Eingang zum Bootshaus stand seine Mutter in einem gelbblauen Regenmantel. Sie
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