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Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
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gefolgt von Harry und dem Beamten in Uniform.
    Perplex blickte Michael ihnen nach, und auch Frau Meierhöfer stand mit offenem Mund an ihrem Schreibtisch, den Telefonhörer in der Hand.
    »Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Michael den Kommissar vom Wirtschaftsdezernat.
    »Das wissen Sie nicht?«, entgegnete der mit feinem Spott in der Stimme. »Dann sollten Sie schleunigst Ihren Fernseher anmachen. Seit fünf Minuten gibt der Staatsanwalt in München eine Pressekonferenz, die vom Bayerischen Rundfunk übertragen wird. Die sollten Sie auf keinen Fall verpassen. Mich entschuldigen Sie bitte so lange, ich habe zu tun.«

    Der Kommissar hatte das Sekretariat kaum verlassen, da stürzten Michael und Frau Meierhöfer in Rudolfs Büro, wo ein riesiger Flachbildfernseher an der Wand installiert war.
    Nervös schaltete Michael ihn ein. Sein Herz klopfte vor Aufregung, und ihm wurde furchtbar übel, während Frau Meierhöfer den richtigen Kanal suchte. Er dachte an die falschen Testergebnisse, an den verschwundenen
Martin Schuster, an den vermissten Frank Berger und daran, dass ein Hauptkommissar von der Mordkommission seinen Vater und Harry mitgenommen hatte. Er versuchte, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Trotzdem traf ihn das, was er dann sah, völlig unverhofft.
    An einem langen Tisch, vor unzähligen Journalisten und Kameraleuten, saß Staatsanwalt Dr. Mertens. Er sprach über die betrügerischen Geschäftsmethoden von MediCare, erläuterte Punkt für Punkt seine Anklage, stellte sich den Fragen der Presse und dem Blitzlichtgewitter der Kameras … Er redete und redete … Michael verstand kaum, was er sagte. Entgeistert starrte er in den Fernseher, und in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, denn neben Staatsanwalt Dr. Mertens, an dem langen Tisch vor den Journalisten, saß Lisa.

12
    Zehn Jahre lang hatte Lisa diesen Tag herbeigesehnt. Zehn Jahre lang hatte sie nur dafür gelebt, Rudolf Westphal den Todesstoß zu versetzen. Tausendmal hatte sie sich ausgemalt, wie befreit und glücklich sie sich am Tag der Abrechnung fühlen würde - wenn sie der ganzen Welt erzählen konnte, dass Rudolf Westphal ein Mörder war. Befreit und glücklich aber fühlte sie sich nicht, weil sie erkannte, dass sie in diesen Minuten, in denen die Fragen der Journalisten durch den Presseraum wirbelten und das Blitzlicht der Kameras sie blendete, nicht nur Rudolf Westphals Leben, sondern auch das
von Michael zerstörte. Nur, daran durfte sie jetzt nicht denken. Sie musste sich zwingen, den Gedanken fortzuschieben, und sich auf die Pressekonferenz konzentrieren. Sie sah auf die Uhr. Ilona Berger war noch nicht da, und das ließ sie langsam unruhig werden.
    Sie hatte versprochen zu kommen. Ilona Berger hatte versprochen, ihr Schweigen zu brechen, ihre Geschichte zu erzählen und die Beweise zu präsentieren. Doch nun wurde es immer später, und sie kam nicht.
    Auch der Staatsanwalt wurde ungeduldig und warf Lisa fragende Blicke zu, während er der Presse die Anklagepunkte erläuterte. Dr. Mertens war ein Erfolgsmensch, jung, bissig, ehrgeizig, und allein schon der Gedanke, jemanden wie Rudolf Westphal zu Fall zu bringen, versetzte ihn in Hochstimmung. Fast glich er einer Hyäne, die sich hungrig auf das Aas stürzte. Dieser Mann, das wusste Lisa, würde nicht aufgeben, bis er Rudolf Westphal vernichtet hatte. Sie empfand tiefe Genugtuung. Wenn nur Ilona Berger bald käme.
    »Über Jahre hinweg«, erklärte Dr. Mertens den Journalisten, »hat die Firma MediCare wirkungslose Medikamente ins Ausland geliefert, vor allem in Drittländer, wobei Rudolf Westphal die Armut und das Elend der Menschen dort nicht im Geringsten interessierte. Er hat Impfstoffe und andere Medikamente nach Afrika und Lateinamerika geliefert, die den angegebenen Wirkstoff nur in so kleiner Konzentration enthielten, dass sie im Grunde reine Placebos waren. Vollkommen wirkungslos.«
    Es herrschte kurzes Schweigen in dem kleinen Presseraum, und Lisa blickte in betroffene Gesichter.

    »Können Sie das beweisen?«, rief einer der Journalisten Dr. Mertens zu.
    »Ja, das können wir«, sagte er und fügte hinzu, während er Lisa ansah: »Frau Alissa Rodriguez hat in den entsprechenden Ländern Medikamente der Firma MediCare erworben. Außerdem hat sie sich an die zuständigen Hilfsorganisationen vor Ort gewandt, die Impfstoffe von MediCare einsetzen. Diese Medikamente und Impfstoffe werden derzeit im Auftrag der Staatsanwaltschaft einer ausführlichen Analyse
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