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Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
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kontrollieren. Er hoffte so sehr, dass Frau Meierhöfer etwas herausfand. Ihre Schwägerin aber durfte diese Art von Informationen nicht weitergeben.
    »Tut mir leid, Michael«, sagte Frau Meierhöfer, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. Sie nannte ihn auf seinen eigenen Wunsch hin noch immer beim Vornamen und sprach ihn nur bei offiziellen Anlässen mit Herr Westphal an. Das fand er dann ganz komisch, denn sie kannte ihn seit seiner Geburt; so viele Jahre war sie bereits in der Firma.
    Michaels Großvater hatte sie als Schreibkraft eingestellt, unter seinem Vater hatte sie sich mit außergewöhnlichem Fleiß und Pflichtbewusstsein zur Chefsekretärin hochgearbeitet, und inzwischen war sie unersetzbar geworden. Sie hatte alles unter Kontrolle, und ihr Gedächtnis arbeitete wie ein Computer.
    »Ich konnte leider nichts für Sie tun«, fügte sie bedauernd hinzu. »Meine Schwägerin wollte sich da auf nichts einlassen.«
    Er nickte. Natürlich wusste er, dass man nicht ohne Weiteres Passagierlisten abfragen konnte, aber es war einen Versuch wert gewesen.
    »Trotzdem danke«, sagte er und wollte gerade wieder in sein Büro gehen, als Frau Meierhöfer ihm nachrief: »Es landet heute aber nur eine einzige Maschine aus der Dominikanischen Republik.«
    Erstaunt drehte er sich zu ihr um. »Nur eine?«

    »Ganz richtig. Die beiden anderen wurden gestrichen und die Passagiere umgebucht. Sie landet um 15.25 Uhr!« Frau Meierhöfer lächelte spitzbübisch. »Soll ich Rosen bestellen oder lieber einen hübschen Frühlingsstrauß?«
    »Weder noch«, beeilte Michael sich zu sagen, denn sie hatte schon den Telefonhörer in der Hand. »Habe ich heute Nachmittag noch irgendwelche Termine?«
    »Nein, keine«, erwiderte sie mit einem kurzen Blick in den aufgeschlagenen Kalender. »Sie müssten lediglich Ihrem Vater Bescheid geben, dass Sie bei Mr Mings Begrüßung nicht anwesend sein werden.«
    Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, da ging auch schon die Tür zum Büro seines Vaters auf. Typisch, dachte Michael. Er hat einfach ein Talent dafür, immer im falschen Moment zu erscheinen.
    »Wer wird bei Mr Mings Begrüßung nicht anwesend sein?«, knurrte Rudolf Westphal und sah die Meierhöfer an.
    »Michael hat leider einen wichtigen Termin in München«, antwortete sie kurz und knapp und widmete sich sofort wieder ihrer Arbeit.
    »Einen Termin? Was für einen Termin?«, wandte sich Rudolf Westphal an seinen Sohn.
    »Einen Termin eben«, entgegnete Michael genervt. Er hasste es, sich stets rechtfertigen zu müssen.
    »Heute Nachmittag gibt es nur einen Termin«, zischte sein Vater, »und der heißt Ming. Oder hast du als zukünftiger Geschäftsführer von MediCare vergessen, dass unser chinesischer Importeur heute kommt?«

    Diese Worte saßen. Meist genügte es, an Michaels Pflichtbewusstsein zu appellieren, damit er sich in der Falle fühlte und das schlechte Gewissen an ihm nagte.
    Frau Meierhöfer aber kam ihm zu Hilfe. »Sie müssen jetzt gehen, Michael«, sagte sie und machte ein ernstes Gesicht, das ihn an eine Oberlehrerin erinnerte. Dann drückte sie ihm einen Aktenordner in die Hand und fügte hinzu: »Sie kommen sonst zu spät.«
    Entschlossen klemmte Michael sich den Ordner unter den Arm, griff nach der Laptoptasche, die auf dem Stuhl vor ihm lag, und sagte zu seinem Vater: »Ich werde versuchen, rechtzeitig zu Hause zu sein.«
    Daraufhin drehte er sich um und verließ schnurstracks das Büro.

    Wenig später stand er inmitten der wartenden Menschenmenge im Münchner Flughafengebäude und war schrecklich aufgeregt. Jedes Mal, wenn sich die Schiebetür der Gepäckabfertigungshalle öffnete, hielt er den Atem an und meinte, Lisas Gesicht vor sich auftauchen zu sehen. Menschen über Menschen strömten durch die Tür, die Wagen voller Gepäckstücke vor sich herschoben und angezogen waren, als sei in Deutschland Hochsommer - nur Lisa war nicht darunter.
    Er wartete und wartete, aber sie kam nicht.
    Je mehr Zeit verging, umso betrübter wurde er. Er harrte aus, bis niemand außer ihm mehr da war und die Tür sich nicht mehr öffnete.
    Sie schien ihre Pläne geändert zu haben. Leise Verzweiflung überkam ihn. Und nun? Jetzt musste das Krisenmanagement
greifen. Regel Nummer eins: einen kühlen Kopf bewahren. Er hasste es, einen kühlen Kopf zu bewahren!
    Regel Nummer zwei: Ziel definieren. Das fiel ihm wesentlich leichter, denn das Ziel lautete, Lisa wiederzusehen - unter allen Umständen.
    Er musste herausfinden, ob Lisa
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