Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
flüsterte Jensen.
    Kalle nickte nur. Jensen nahm sein Handy aus der Brusttasche seines Hemdes und rief die Polizei an. Eine halbe Stunde später wimmelte es in Kalles Hoheitsbereich von Beamten. Chico, Kalle und Jensen ließen ihre Personalien sowie erste Aussagen über das Geschehen von einer hübschen jungen Polizistin aufnehmen, die in Chico wieder alle Lebensgeister weckte. Andere Beamte sperrten das Gebiet um die Kiste samt Inhalt und die Rampe herum ab, sicherten die Spuren und machten Fotos. Inzwischen hatten sich fast alle Mitarbeiter von Madame Tussauds eingefunden. Die Ausstellung war geschlossen, und die Besucher zum Gehen aufgefordert worden. Einige der Mitarbeiter freuten sich über den verfrühten Feierabend und zogen sich ins Privatleben zurück. Die meisten jedoch standen hinter der Absperrung und versuchten, einen Blick in die Lagerhalle zu erhaschen. Sie wussten nur, dass eine Leiche aufgetaucht war, die genaueren Umstände waren nicht bekannt. Doch auch an Kalle oder Chico kamen sie nicht heran. Deswegen zerstreuten sich schließlich die Angestellten in der Hoffnung, morgen bei der ersten Kippenpause auf dem Hof en détail informiert zu werden.
     
    Der Leiter der Berliner Mordbereitschaft, Hauptkommissar Dietmar Striebeck, traf kurz nach seinen Kollegen von der Spurensicherung ein. Grübelnd stand Striebeck vor der geöffneten Kiste, Auge in Auge mit der Leiche.
    »Was für ein Mist!« Er stand kurz vor der Pensionierung und freute sich auf seine Datscha am Müritzsee, wo er mit seiner Frau Elena beim abendlichen Grillen von pommerschen Würstchen die Sonnenuntergänge genießen wollte. Weit weg von seinem ehemals so geliebten Berlin der Kodderschnauzen und Schrebergärten, das er in den letzten, von kosmopolitischem Getue geprägten Jahren nicht mehr wiedererkannte. Raus aus der Berliner Luft, die im Sommer nicht mehr nach Holzkohle roch und nach Fassbrause schmeckte, sondern nur nach Coffee to go mit Zimt oder Vanille und Fudge Brownies mit Macadamianüssen. Dietmar Striebeck war ein frustrierter und müder Mann, der seine Ruhe haben wollte. Ein kranker Killer passte nicht ins Konzept seiner bevorstehenden Zivilisationsflucht. Was er hier vor sich sah, war schmutzig, widerwärtig und pervers und würde demzufolge auch großes Interesse bei den Medien wecken.
    Vorsichtig zog sich Striebeck seine Schutzhandschuhe über, griff in die Kiste und zog zu Füßen der Leiche den Umschlag hervor. Normalerweise hätte er die Kiste samt Inhalt unangetastet in die Rechtsmedizin bringen lassen, damit nicht das kleinste Hautschüppchen verloren ging. Aber in Striebeck keimte ein böser Verdacht, den er überprüfen wollte. Sofort. Striebeck öffnete den unbeschrifteten Umschlag und entnahm vorsichtig den Bogen Papier. Nur eine einzige Zeile stand darauf geschrieben:
    Menschen! Das dritte Geschlecht ist in der Welt.
    Er fluchte leise. Das hatte er befürchtet. Sorgfältig faltete er das Papier wieder zusammen, steckte es zurück in den Umschlag und diesen dann in die Papiertüte zur Beweissicherung, die ihm sein junger, ehrgeiziger Kollege Ali Cenkel reichte. Striebeck griff nach seinem Telefon und rief das BKA an. Als er aufgelegt hatte, fuhr Ali ihn an: »Was soll das? Wir schaffen das auch ohne Hilfe! Das ist unser Fall!«
    Striebeck schüttelte den Kopf: »Ich habe keine Lust, diese Scheiße allein auszubaden. Die hier ist kein Einzelstück. Hast du nicht mitbekommen, was im April in München los war?«
    Ali stutzte kurz und ärgerte sich, weil er den Zusammenhang nicht sofort erkannt hatte.
    »Das hier ist ein Fall für Christian Beyer«, sagte Striebeck.
    »Dieser Typ von der Soko Bund?« Ali hatte die Einrichtung der bundesweit operierenden Sonderkommission und ihre bisherigen Fälle mit großem Interesse verfolgt.
    »Genau der.«
    Ali überlegte. Sollte Striebeck doch am Müritzsee mit seiner Alten verschimmeln. Beyer und seine Soko – vielleicht war das gar nicht schlecht. Bundesweit. Ein bisschen wie das FBI. Und er konnte dabei sein. »Kennst du Beyer?«, fragte er Striebeck.
    Striebeck nickte: »Vor Jahren mal mit ihm zu tun gehabt. Ein harter Hund. Falls du dich bei ihm einschleimen willst … Wenn er eintrifft und sich alles ansieht, schätzt er es sehr, wenn er sofort über den Stand der Dinge informiert wird.«
    Während die Soko Bund auf dem Weg nach Berlin war, kümmerte sich Striebeck um den sauberen ersten Abschluss der Fundortsicherung, Zeugenbefragung und die sofortige Dokumentation des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher