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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele
Autoren: Marina Heib
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schweigsam war.
    »Ich ärgere mich nur, dass ich jetzt keinen Profiler in der Truppe habe. Eine beschissene Planung! Weiß der Himmel, warum ich Pete drei Monate Sonderurlaub genehmigt habe!«
    »Du bist früher sehr gut ohne Profiler ausgekommen. Wie hast du sie so gerne genannt? Nutzloses, arrogantes Pack, das nichts als bescheuerte Theorien von sich gibt und von der Praxis keine Ahnung hat?« Anna erlaubte Christian nur zu gerne, seine miese Stimmung auf beruflichen Unbill zurückzuführen. Auch sie war keine Freundin sentimentaler Abschiedsszenen.
    Kurz darauf sah Christian zu, wie Anna mit Pete an ihrer Seite durch die Sicherheitskontrolle ging. Er wandte sich abrupt um, verließ das Flughafengebäude, stieg in den Dienstwagen, den er mit einem Einsatzschild direkt vor dem Terminal geparkt hatte, und fuhr für einen Hüter der Gesetze recht aggressiv nach Hause – zu Annas kleiner Stadtvilla im Generalsviertel, wo er seit knapp zwei Jahren mit ihr lebte.
    Es war unnatürlich still. Selbst wenn Anna stumm auf dem Sofa gesessen und gelesen hätte, wäre es nicht so still gewesen. Christian wurde sich einmal mehr bewusst, dass Annas Anwesenheit die Luft immer zum Knistern brachte. Da gab es einen unhörbaren Grundton, eine kaum merkliche Schwingung, die ihn spüren ließ, dass er nicht allein war. So wie jetzt. Er würde sich wieder daran gewöhnen müssen, zumindest für vier Wochen. Bevor er Anna kennengelernt hatte, war er sehr lange allein gewesen. Daran hatten auch seine gelegentlichen Affären nichts geändert. Diese unverbindlichen Liebschaften während und nach seiner Ehe hatten ihm nur noch deutlicher vor Augen geführt, wie abgeschottet er innerlich war. Doch hatte es ihn damals nicht gestört. Im Gegenteil. Seine Einsamkeit war ein selbst gewählter Zustand gewesen, geboren aus einem unüberwindbaren Misstrauen der Liebe gegenüber. Erst Anna hatte diese Mauern in Schutt und Asche gelegt. Seitdem fühlte Christian sich als ein ganzer Mensch. Sie fehlte ihm jetzt schon.
    Christian warf seine Cordjacke in die Ecke und ging in die Küche, um einen anständigen Nachschub an Bier kalt zu stellen. Sein bester Freund und langjähriger Kollege Volker Jung wollte zum wöchentlichen Schachspiel vorbeikommen. Christian hatte sich gerade eine Flasche geöffnet, als es klingelte. Vor der Tür stand allerdings nicht nur der glatzköpfige Volker in seiner ganzen Größe von knapp zwei Metern, sondern auch Eberhard Koch, der Tatortspezialist der Soko Bund.
    »Skat spielt man zu dritt. Schach nur zu zweit«, sagte Christian zur Begrüßung.
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, erwiderte Eberhard, wegen seiner Kochkünste und des passenden Nachnamens nur »Herd« genannt. »Deine schlechte Laune wird gleich noch mieser, pass auf.«
    »Wir spielen nämlich kein Schach. Und auch keinen Skat. Wir spielen Räuber und Gendarm. In Berlin«, fügte Volker hinzu.
    Wenige Stunden zuvor:
Berlin.
    »Hey, Kalle, komm ma rüber, wir haben hier ’ne Lieferung!«
    Kalle hob verwundert den Blick von seinen Exportlisten und schlurfte durch die Halle nach vorne zur Rampe. Dort stand sein Kollege, ein kleiner dunkelhaariger Mann mit wolligem Brusttoupet, in das sich eine Kette mit Goldkreuz eingenistet hatte. Er nannte sich Chico, weil er bei den Damen vom Kiez gegenüber gern als Latin Lover gelten wollte. Dabei war er waschechter Berliner, was man selbst hörte, wenn er noch so verbissen das R rollte.
    »Wir kriegen heute keine Lieferung. Nix bestellt«, sagte Kalle unwirsch, wobei er sich auf seiner Eingangsliste vergewisserte. Bei Kalle hatte alles seine Ordnung.
    Nichtsdestotrotz stand vor der Rampe ein Lieferwagen der weltweiten Post-Logistik samt uniformiertem Fahrer, der gerade eine große, hochkant stehende Kiste auf die Rampe wuchtete und wütende Blicke zu Kalle und Chico warf, die keine Anstalten machten, ihm zu helfen. Die Kiste war etwa anderthalb Meter hoch und einen Meter breit und aus massiven, vernagelten Holzlatten gezimmert.
    »Da steht’s«, sagte der Fahrer und hielt Kalle einen zerknitterten Wisch mit Kaffeefleck unter die Nase. »Ne Wachsfigurenspende für Madame Tussauds Horrorkabinett. Könnt ihr mir jetzt endlich den Empfang quittieren?«
    »Wir stellen unsere Figuren selbst her. Außerdem haben wir hier kein Horrorkabinett. Nur Stars aus Politik und Kultur. Merkel, Wowereit, Britney Spears, Michael Jackson, Tom Cruise …«
    »Also doch ’n Horrorkabinett. Sogar ’n ganz finsteres.« Das Grinsen des
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