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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
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dabei liegende Knopf mit dem charakteristischen Abbruch am Rand zu dem Mantel gehörte. Noch in der Nacht würde das Ergebnis der DNS-Untersuchung kommen und bestätigen, dass die DNS der vorgefundenen Nasenhärchen mit der von Waldemar Kunze übereinstimmte. Der schwieg beharrlich und verlangte nicht einmal einen Anwalt. Sie gaben es bald auf, etwas von ihm zu erfahren, und brachen die Vernehmung ab. Waldemar Kunze wurde in die Zelle neben der gebracht, in der Josef Pawlicek ruhig auf der Matratze lag und wartete.

    Spät am Abend fuhren Schielin und Lydia Naber nach Reutin. Diesmal öffnete ihnen Meta Kinker. Wortlos, auf ihren Stock gestützt, ging sie ihnen voran und setzte sich an ihrem Platz nieder.
    »Sie wussten alles«, begann Schielin ohne Vorwurf in der Stimme mitklingen zu lassen.
    Sie atmete laut aus, sagte aber nichts dazu.
    »Ihre Tochter hat von der Frau Ihres Bruders, der Adoption und dem Testament gewusst. Das hat sie uns zumindest schon erzählt. Wir wissen auch, dass Waldemar Kunze für Sie Hausmeister, Steuerberater – Mädchen für alles war. Für ihn war es sicher eine Bedrohung, dass Ihr Sohn plötzlich aus der Reihe tanzte, eine Familie gründete und das Vermögen aufgeteilt werden würde. Es wäre eng geworden für Waldemar, der ja keinen Beruf ausübt und auf ihre Barzahlungen angewiesen war. Und noch etwas viel Wichtigeres wäre ihm genommen worden: das Gefühl im Besitz all dieser Immobilien und all des Geldes zu sein. Ganz gleich, ob es ihm nun nach unserem Verständnis gehörte oder nicht. Er betrachtete es als das Seine, und Ottmar Kinker war dabei, es ihm zu nehmen.«
    Er wartete und sah zu Meta Kinker. Lydia saß daneben, als gehörte sie nicht dazu.
    »Ich glaube aber nicht, dass es das Geld alleine war, das ihn dazu trieb, Ihren Sohn zu töten. Es existiert da noch etwas anderes. Wovor hatte Waldemar Kunze noch, oder besser gesagt, wirklich Angst, Frau Kinker? Was ist vor etwa zwanzig Jahren geschehen? Könnte es sein, dass Ihr Sohn jetzt, da er wie befreit war, etwas hätte sagen können, oder etwas hätte sagen wollen?«
    Meta Kinker hob leicht das Kinn, um Schielin anzusehen. Er blickte in ein versteinertes, ausdrucksloses Gesicht.
    »Es ist geschehen, wie es geschehen ist. Niemand kann durch Reden etwas ungeschehen machen.«
    »Hat es mit dem Tod ihres Mannes zu tun? Da sind die Briefe Ihrer Schwägerin, und Ihr Sohn, ein lebensfreudiger junger Mann, zieht sich plötzlich völlig aus dem Leben zurück, lebt wie in einem selbst gewählten Gefängnis; und das gerade nach dem Tod seines Vaters.«
    »Ist das so unvorstellbar, dass der Tod des Vaters einen verändert?«, sagte sie tonlos.
    Schielin nickte einige Male stumm. Dann stand er auf und ging.

    »Gibst du dich damit zufrieden?«, fragte Lydia Naber, als sie kurz darauf im Auto saßen.
    »Was bleibt uns denn übrig?«
    »Aber es ist doch …«
    Schielin winkte ab. »Wir werden aus ihr keinen Ton herausbringen. Vielleicht wird Waldemar Kunze irgendwann reden, was ich mir nicht recht vorstellen kann.«
    »Aber in den Briefen von Ottmar Kinkers Tante stand doch der Satz: Die Zeit ist die Entdeckerin der Wahrheit. Das ist doch wie ein Auftrag an uns, weiterzuermitteln.«
    »Nein. Im Brief stand ja eben: Die Zeit ist die Entdeckerin der Wahrheit und nicht Die Zeit ist die Entdeckerin der Gerechtigkeit. Du bist auf der Suche nach Gerechtigkeit.«
    »Du etwa nicht?«
    »Natürlich. Aber in diesem Fall wird uns das bisschen Ahnung einer bisher verborgenen Wahrheit genügen müssen. Sieh es mal so – ab jetzt arbeitet die Zeit für die Gerechtigkeit.«
    »Ich finde das aber unbefriedigend, äußerst unbefriedigend. Ich würde der Zeit beim Entdecken schon gerne ein wenig helfen.«
    »Ich verstehe dich ja, Lydia.«
    *
    Drei Wochen später, Waldemar Kunze saß in der Justizvollzugsanstalt Kempten, Helmtraud Kinker war in Liebenau eingeliefert worden, meldete sich Walther Lurzer bei Schielin. Er druckste ein wenig herum, wie es eigentlich nicht seine Art war.
    »Es geht um unsere Ermittlungssache da in Linz, gegen diesen Mosbichl.«
    Schielin wartete.
    »Also, wir haben dieses Korruptionsverfahren einstellen müssen.«
    Schielin war erstaunt. »Oh. Das sah aber doch ganz gut aus, nach dem, was du mir berichtet hast, von all den Unterlagen und Filmchen …«
    »Na ja das stimmt schon. Es ist nur so, dass wir keinen Beschuldigten mehr haben. Mosbichl ist tot.«
    »Tot?«
    »Ja. Eine irgendwie dumme und seltsame Geschichte. Ein Unfall
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