Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
Vom Netzwerk:
Bänken zum Turm gegangen ist.«
    »Und Sie sind ihm nicht gefolgt?«
    »Nein, bin ich nicht.«
    Schielin spitzte die Lippen und resümierte ironisch. »Alles klar. Sie folgen dem Kerl den ganzen Tag, von Ravensburg bis nach Lindau; belauern ihn eine halbe Ewigkeit, die er auf der Bank sitzt, und als er dann aufsteht und geht, bleiben Sie wo Sie sind, weil er Sie nicht mehr interessiert. Und gerade in diesem Augenblick wird der arme Ottmar Kinker ermordet.«
    »Ich war doch der Meinung, dass er wieder zurückkommen würde.«
    »Und aus welchem Grund?«
    »Weil er diese doofe Kaffeemaschine an der Bank hat stehen lassen.«
    Schielin fror für einen kurzen Augenblick ein. Wenzel presste die Lippen aufeinander. Unlogisch war das nicht.
    »Was wollen Sie also gesehen haben?«
    »Ich habe gesehen, wie er in einen Durchlass gegangen ist. Da war er für einige Zeit verschwunden. Ich habe da nicht so intensiv hingeschaut, weil ich ja davon ausging, dass er wieder zur Bank zurückkommen würde. Und dann war da plötzlich dieser Kerl.«
    »Welcher Kerl?«
    »Es war schon recht dunkel. Ich habe gesehen, wie da auf einmal eine Gestalt ankam, durch den Torbogen schaute und dann an der Mauer wartete.«
    »Wo kam die Gestalt her?«
    »Also nicht von meiner Seite her, sondern von der Turmseite. Jedenfalls ist dieser Kerl nach einiger Zeit plötzlich durch das Tor gegangen. Es dauerte gar nicht lange, nur ein paar Sekunden, eine halbe Minute längstens, dann war er wieder da. Er ist schnurstracks zur Bank gelaufen, hat die Kaffeemaschine gepackt und ist weg.«
    »Wohin weg?«, fragte Schielin.
    »Zurück zum Turm und den Weg da hinten rum in Richtung Parkplatz.«
    »Und dann?«
    »Ich habe mir doch nichts dabei gedacht, bin eine Weile noch herumgestanden, und als dieser Kinker nicht mehr aufgetaucht ist, bin ich dann doch vor und habe nachgesehen. Und da war er ganz unten gelegen. Auf den Treppenstufen war auch Blut zu sehen.«
    »Das haben Sie also im Dunkeln sehen können?«
    »Ich habe kurz mit meiner Taschenlampe geleuchtet. So ein modernes LED-Ding. Verdammt hell.«
    »Schöne Geschichte. Endlich mal wieder der große Unbekannte im Spiel«, sagte Wenzel, »wenn Sie nur noch glaubhaft erklären könnten, aus welchem Grund Sie das Opfer so intensiv überwacht haben?«
    »Das habe ich doch schon gesagt. Weil ich … es war, weil ich ihn … ich konnte nicht verstehen, was Yulia mit ihm wollte, mit diesem … er passte doch nicht zu ihr.«
    »Eifersüchtig also, das wäre aber auch ein passables Motiv, Herr Pawlicek«, sagte Schielin.
    Pawlicek blieb hart. »Sie werden nichts von mir an diesem Toten finden. Nichts. Als ich erkannt habe, was da los war, bin ich stehen geblieben. Ich bin nur bis zur zweiten Stufe gegangen.«
    Schielin winkte ab. »Morgen früh wird Frau Kavan hier sein. Wir werden mal hören, was sie dazu zu sagen hat. Vielleicht war ja sie die mysteriöse Gestalt.«
    Abrupt wendete sich Pawlicek Schielin zu und sagte ernst und mit tonloser, fast drohender Stimmer. »Sie war es nicht … und, gleichwie – sie wird niemals deswegen ins Gefängnis gehen, das dürfen sie mir glauben.«
    *
    Dr. Thomas Böhle hatte zwei von den grünen Tabletten genommen. Er fühlte sich einigermaßen beruhigt, als er die Dienststelle in Lindau betrat. Ein älterer Mann, der weite Cordhosen, Hemd, Fliege und Weste trug, holte ihn im Warteraum ab. Im Gang sah er eine Edelfrau stehen, die ihre Sonnenbrille nach oben in die braunen Haare geschoben hatte. Sie betrachtete die Bilder an der Wand und würdigte ihn keines Blickes. Der Kriminalbeamte führte ihn in ein Büro, das er so nicht erwartet hätte. Auf dem Dielenboden lag ein teurer Perser – zumindest machte er einen wertigen Eindruck. Dr. Thomas Böhle mochte den Ausdruck wertig. Er hatte ihn einmal auf einem Seminar Erfolgreich führen gehört.
    An den Wänden des Büros hingen Ölbilder, der Schreibtisch war alt und aus Holz. Er selbst nahm in einem Sessel Platz. Weit und breit war keiner dieser seelenlosen Fünfpunkt-Bürostühle zu entdecken. Der Polizist saß ihm gegenüber, in einem sehr bequemen hochlehnigen Sessel. Er stellte sich kurz und sachlich vor, während er sich in das Polster sinken ließ. Er hieß Funk. Das Büro sah eher aus wie ein Salon. Die Aktenschränke, die locker an freien Wandflächen standen, brachten keine Dominanz zuwege. Dieser Raum vermittelte eine wohlige Sachlichkeit, und fast hätte Dr. Thomas Böhle sich entspannt gefühlt und einem sorglosen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher