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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Wochenende entgegenblicken können, wäre ihm beim Blick auf diesen Funk nicht klar geworden, dass das Büro seine Ausstrahlung nicht durch das Interieur erfuhr, sondern dass es ein Spiegel der Persönlichkeit war, der er gegenübersaß. Was war das für ein Kerl, der sich so einrichten konnte, dem man diese völlig unübliche Ausschweifung gestattete?
    Böhle wurde unruhig bei dem Gedanken. Er musste auf der Hut sein und trotzdem locker wirken. So achtete er darauf, eine distanzierte Haltung einzunehmen, zurückhaltend bestimmt zu sein und auf Fragen möglichst knappe Antworten zu geben. Das hatte er in einem Buch gelesen, das er in seinem Büro liegen hatte. Es hieß Erfolgreich argumentieren und vermittelte bereits auf den ersten Seiten die Verhaltensweise, in Situationen, in welchen man sich selbst als inkompetent und den Fragestellungen als nicht gewachsen erachtete, möglichst wenig zur Sache auszuführen. Wenn man etwas sagte, sollte es unverbindlich sein. Am besten waren dann Gegenfragen, die einen entlasteten. Böhle hatte das Buch nie weiter gelesen, als bis zu dieser Stelle.

    Funk hatte seit der knappen Begrüßung kein Wort mehr gesprochen. Das war auch nicht nötig, denn er spürte die Anspannung seines Gegenübers. Dieser Böhle saß mit gelangweilter Miene vor ihm, sah sich abschätzig im Büro um und schien darauf zu warten, eine Aussage machen zu können, um danach endlich ins Wochenende verschwinden zu können. Er schauspielerte eine Körpersprache, die Gelassenheit hätte ausdrücken können, wäre da nicht dieser feine, glänzende Film auf seiner Stirn gewesen. Schweiß.

    Funk blätterte eine Weile in den Unterlagen. Ohne diese Tätigkeit aufzugeben, fragte er wie nebenbei: »Wo waren Sie am Montagabend, Herr Dr. Böhle?«
    Er sah wie die gepflegten Doktorenfinger der rechten Hand kurz und kaum wahrnehmbar einen leichten Druck auf die Sessellehne ausübten. Jetzt sah Funk sein Gegenüber an – mit ernster, fragender Miene.
    Dr. Thomas Böhle musste überlegen: möglichst wenig sagen, durch Gegenfragen entlasten.
    »Wieso fragen Sie das?«
    Funks Stimme verhieß nichts Gutes. »Weil ich das als Polizist fragen muss. Reine Routine.«
    »Am Montagabend?«, fragte Böhle, um Zeit zu gewinnen.
    Funk sah wieder in seine Unterlagen und ließ Böhle alleine.
    »Am Montagabend, wollen Sie wissen. Mhm. Also, die letzte Zeit war ziemlich anstrengend. Soweit ich mich erinnere, bin ich mit dem Auto herumgefahren. Das entspannt mich.«
    Kaum das Böhle fertig war, stach Funk das erste Mal zu. »Glauben Sie, sich zu erinnern, oder wissen Sie es genau? Wo waren Sie am Montagabend zwischen siebzehn und zwanzig Uhr?« Kaum gesagt, ließ er das Blättern sein und sah Dr. Böhle eindringlich an.
    Der erinnerte sich an ein Buch, das er auch in seinem Büro hatte und in dem er manchmal blätterte. Es hieß Konflikte erfolgreich steuern. Darin war beschrieben, wie man mit psychologischen Mitteln Druck ausüben konnte, ohne als Krawallmacher dazustehen. Irgendwo stand da, dass man Aggressionen, die gegen einen selbst gerichtet waren, am besten ausweichen sollte, um Eskalationen zu vermeiden. Das war ziemlich allgemein beschrieben, stellte Böhle jetzt fest. Schlimmer noch: Diese Phrasen nutzen einem nichts, wenn es wirklich ernst wurde.
    »Wie ich schon sagte. Ich war mit dem Auto unterwegs, der Entspannung wegen.«
    »Wo?«
    »Wie, wo?«
    »Wo genau waren Sie unterwegs«, fragte Funk. Dann wurde seine Stimme väterlich. »Sind Sie drei Stunden lang durch die Lande gefahren? Und das bringt Ihnen Entspannung, bei dem Verkehr auf unseren Straßen? Das verstehe ich nicht.«
    Dr. Thomas Böhle atmete innerlich auf. Dieser Funk konnte sich also nicht vorstellen, drei Stunden lang mit dem Auto herumzufahren. Na, dann würde er ihm eben was erzählen.
    »Ja, da haben Sie schon recht, Herr Funk. Aber ich habe mir ja ein ganz besonderes Auto geleistet. Ist ein Hobby von mir.«
    »Na ja. Schöne Autos … kann ich verstehen. Was ist es denn für eines?«
    Dr. Böhle lachte verschmitzt und nutzte die Gelegenheit, sich mit dem Arm über die Stirn zu fahren, um diesen feuchten Film endlich loszuwerden, bevor dieser Bulle noch etwas davon mitbekam. »Als bekennender Schwabe …«
    Funk grinste kumpelhaft.
    »Ein Porsche halt, Cabrio, so fürs Herz eben.«
    Funk beherrschte sich, eine unflätige Bemerkung zu machen, und grinste weiter. Dieser Böhle sollte etwas lockerer werden und anfangen zu erzählen. Da machten die meisten
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