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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlief, darüber gab es keine Diskussion mehr. Es war eine eingespielte Umschichtung: drei Tage Hans oben, drei Tage Herbert oben.
    »Hervorragend!« sagte Herbert Fehringer, setzte sich auf das Bett und rieb sich die Hände. »Was haben wir für einen Tisch?« Er griff zu den bereitliegenden Tischkarten und nickte zufrieden. »2. Tischzeit, Tisch B 6. Von da ist es ein kurzer Weg bis zum Lokus. Besser kann's gar nicht sein.« Es klopfte. Der Kabinensteward. Hans Fehringer verschwand sofort im Schrank.
    »Das Gepäck dauert noch etwas«, sagte der Steward. »Ich bin Louis. Willkommen an Bord. Haben Sie einen Wunsch, Herr Fehringer?«
    »Oh, ja. Eine Flasche Wodka.«
    »Die können Sie erst nach dem Ablegen kaufen. Zollbestimmung.«
    »Und jeden Tag bitte eine Thermoskanne mit eisgekühltem Orangensaft, einen Kübel Eis und einen Korb mit frischem Obst.«
    Er gab Louis einen Fünfzigmarkschein, den dieser wegsteckte wie ein Stück Papierabfall. Es gab Passagiere, die führten sich bei ihrem Kabinensteward gleich mit dreihundert Mark ein. Man muß das kennen: Das wichtigste auf einem Schiff ist ein wohlwollender Kabinensteward. Wer es sich mit ihm verdirbt, ist am Ende der Reise nur noch ein Nervenbündel. Schwerhörigkeit des Stewards ist dabei noch das geringste Leiden.
    »Was kann ich denn jetzt bekommen?« fragte Herbert Fehringer. »Mir klebt die Zunge am Gaumen.«
    »Ich könnte Ihnen Bier bringen. Pilsener Urquell.«
    »Sie Engel! Vier Flaschen. Eisgekühlt!«
    Die Fehringer-Zwillinge begannen sich einzuleben. Sie fanden es auf der MS Atlantis ungemein gemütlich. Dies war die größte Kabine, in der sie bisher um die Welt gereist waren. Ein Luxusschiff, fürwahr!
    Im Hospital der MS Atlantis, auf dem A-Deck, saß bereits einer der neuen Passagiere, rutschte mit dem Stuhl ungeduldig hin und her und wartete auf den Arzt. Die Krankenschwester Erna telefonierte herum und war bemüht, Dr. Mario Paterna, den Schiffsarzt, zu finden, der irgendwo herumschwirrte. Zuletzt hatte man ihn in der Olympia-Bar gesehen, dann auf dem Promenadendeck, wo er sich kurz mit dem Blinden unterhalten hatte. Jetzt, beim Passagierwechsel, war das Hospital der ruhigste Ort im Schiff.
    »Ist es so dringend?« wandte sich Schwester Erna vom Telefon her dem unruhigen Passagier zu.
    »Säße ich sonst hier?« Seine Stimme klang tatsächlich etwas verzweifelt.
    »Vielleicht kann ich Ihnen helfen? Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Übelkeit?«
    »Das schon eher.«
    Schwester Erna starrte den Passagier fast erschrocken an. Man lag noch an der Pier, und schon wollte einer seekrank sein? Das gab es doch nicht.
    »Herzbeklemmungen?«
    »Auch.«
    »Hatten Sie schon öfter diese Beschwerden?«
    »Nein. Erst seit …« Der Passagier winkte ab. »Ich möchte den Doktor sprechen. Sofort! Was nützt ein ganzes Hospital, wenn kein Arzt da ist!«
    Schwester Erna fand Dr. Paterna endlich auf dem Sportdeck, schilderte per Telefon die Leiden des Kranken und berichtete dann begütigend: »Herr Dr. Paterna kommt gleich.«
    »Ist er ein Italiener?« fragte der Passagier säuerlich.
    »Nein. Aus Dortmund. Vielleicht war sein Urgroßvater mal aus Italien.«
    »Ich habe mal in Italien, unten in Kalabrien, in einem Krankenhaus gelegen. Eine Woche lang. Haben Sie schon mal in Kalabrien in einem Krankenhaus gelegen, Schwester? Nicht? So etwas vergißt man nie! Ich weiß jetzt, warum die meisten dramatischen Opern von Italienern komponiert wurden.«
    Dr. Mario Paterna war ein großer, schlanker Mann, der seine Vorfahren südlich der Alpen nicht verleugnen konnte. Am attraktivsten waren seine klein gekräuselten Locken aus tiefschwarzem Haar und seine weißblitzenden Zahnreihen, von denen er behauptete, sie nie mit lauthals angebotenen Zahncremes zu putzen, sondern lediglich mit einfacher Schlemmkreide. »Und kauen!« sagte er immer. »Kräftig kauen! Zähne müssen abgekaut werden. Denkt an das Bergvolk der Hunza im Himalaja. Die kennen keine Karies, aber die kauen auch Tag und Nacht Wurzeln.« Als Schiffsarzt war er in einer Hinsicht eine Ausnahme: Man konnte ihm keine Bordaffären nachsagen. Auch wenn bei jeder Reise sexbesessene Damen im Hospital herumsaßen – er behandelte sie mit medizinischen Mitteln und nicht, indem er sich zu ihnen legte. Maßlos enttäuschte Damen verbreiteten sogar das Gerücht, er müsse schwul sein – ein so schöner Mann und kein Interesse an Frauen, das ist doch unnormal! Doch dem stand gegenüber, daß er geschieden war und Vater
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